Der Mythos des Gotthard

Veröffentlicht von Yanik

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Der Gotthard ist ein Gebirgsmassiv der Schweizer Alpen und liegt in den Kantonen Graubünden, Tessin, Wallis und Uri. Der Name des Gebirges kommt vom berühmten Gotthardpass, welcher wiederum nach dem Heiligen Gotthard von Hildesheim benannt wurde. Die Bedeutung des deutschen Namens Gotthard lautet „in Gott stark“.

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Ein „königliches Gebirge“

Diese Wortwahl geht auf niemand Geringeren als den berühmten deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe zurück. Er selbst wanderte dreimal über den Pass und erlebte den Gotthard als "Zentrum Europas". Geradezu fasziniert war er vom Schwellenerlebnis der Reise beim Übergang vom kargen Norden zum blühenden Süden. Für ihn war es ein Ort der Selbstfindung und Inspiration.

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Der Teufel

Lange gab es über das Gotthardmassiv keinen direkten Weg nach Süden und die Urner versuchten immer wieder vergeblich einen Weg durch die Schöllenschlucht anzulegen. Die Schlucht war das große Hindernis auf der Handelsroute von Uri über den Gotthard nach Italien. Die Verzweiflung der Bevölkerung war so groß, dass sie der Legende nach einen Pakt mit dem Teufel schlossen.

Der Teufel baute die Brücke nur unter der Bedingung, dass die erste Seele, die diese überquert, ihm gehöre. Im Versuch, den Teufel auszutricksen, schickten die Dorfbewohner eine Ziege über die Brücke. Erzürnt zerriss der Teufel die Ziege in hundert Fetzen und holte einen riesigen Felsbrocken, um ihn auf die Brücke zu werfen. Doch während der erschöpfte Teufel sich ausruhte, kam ein altes Mütterchen des Weges und ritze ein Kreuz in den Stein. Als der Teufel dann versuchte, die Brücke mit dem Stein zu zertrümmern, verfehlte er die Brücke und zog sich beschämt in die Hölle zurück. Bis heute führt die sogenannte „Teufelsbrücke“ über die Reuss und ist eine bedeutende Sehenswürdigkeit des Kantons geworden. Viele germanistische Forscher halten es sogar für sehr wahrscheinlich, dass die berühmte Szene des Teufelspaktes aus Goethes „Faust“, durch die Urner Sage der Teufelsbrücke inspiriert ist.

Die Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht

Eine spannende Geschichte

Der Gotthard ist einer der wichtigsten Alpenübergänge Europas und trägt einen hohen Anteil am Wohlstand der Schweiz. Bereits im Mittelalter überquerten Händler, mit Salz und Wein im Gepäck, regelmäßig den Pass. Inmitten der Alpen führt der Weg vom Kanton Uri über die Passhöhe ins Tessin. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts gewannen aber auch andere Alpenpässe an Bedeutung und die Zolleinnahmen am Gotthard sanken. Man beschloss daraufhin einen zukunftsweisenden Plan: Den Bau einer Straße, die 1830 eröffnet wurde. Nun ist der Weg endlich auch für Kutschen befahrbar.

Urnerlochtunnel

Die neue Hochzeit des Passes sollte nicht lange währen, denn schon bald fuhren in Europa die ersten dampfbetriebenen Eisenbahnen. Aus Angst, industriell abgehängt zu werden, beschloss man den gewagten Plan einer Schienenstrecke durch den Gotthard. Ein über 15km langer Tunnel sollte auf rund 1150 Metern Höhe durch den Berg gesprengt werden. Der Bauunternehmer Louis Favre erhielt den Zuschlag und bekam eine Frist von 8 Jahren für das nahezu unmögliche Bauvorhaben. 1872 begann der Bau. Favres Plan war es, sich gleichzeitig von Göschenen und Airolo aus vorzuarbeiten, bis sich die Tunnel auf halber Strecke treffen.

Arbeiter am Südportal in Airolo

Besonders aus den armen Gegenden Norditaliens kamen zahllose Arbeitssuchende nach Göschenen und Airolo geströmt, wo schnell großes Chaos herrschte. Unzumutbare Arbeitsbedingungen und ein zu langsames Vorankommen des Baus wurden vor allem in Göschenen schnell zum Problem. Favre geriet finanziell in Bedrängnis und die ersten Arbeiter starben an giftigen Sprengstoffgasen und Infektionskrankheiten. Es kam zum Aufstand. Die Arbeiter forderten mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. Der Gemeindepräsident erbat auf Anraten von Favre bewaffnete Unterstützung des Kantons, welche schnell in Form von 22 bewaffneten Soldaten kommen sollte. Während eines lautstarken Streiks der aufgebrachten Arbeiter löste sich bei einem der Uniformierten ein Schuss. Die Arbeiter griffen daraufhin die Soldaten an, welche wiederum auf die Arbeiter schossen. Zahlreiche Arbeiter wurden verletzt und einige starben. Sie erhielten schließlich eine moderate Lohnerhöhung, aber die Arbeitsbedingungen blieben unverändert.

Favres Tod im Gotthardtunnel

1879 mehrten sich die Zweifel am möglichen Erfolg der Unternehmung. Am 18. Juli 1879 starb dann auch noch Favre selbst bei einem Kontrollgang durch den Tunnel. 5 Monate später gelang den Arbeitern schließlich doch noch der Durchbruch. Stolz trugen die Arbeiter ein Bild Favres auf die andere Seite:

alt„Wer wäre würdiger gewesen, als Erster die Schwelle zu überschreiten, als Favre,
der seinen Mitarbeitern Meister, Freund und Vater war. Es lebe der Gotthard!“

Am Ende kostete der Bau des damals längsten Tunnels der Welt fast 200 Menschenleben.

 

Der Gotthard heute

Im 20. Jahrhundert wurde die Verbindung dann zu einem großen Risiko für die Schweiz. Durch den Aufstieg der Faschisten in Deutschland und Italien forderte Mussolini bald die Rückführung aller italienischen Gebiete. Es drohte trotz des neutralen Status der Schweiz ein Angriff auf das Tessin und durch den strategisch wichtigen Tunnel ein Vordringen ins Inland. Schnell entwickelte sich der Plan, den Gotthard zur Festung auszubauen und im Falle eines Angriffs den Tunnel zu sprengen, um die Versorgungsroute der europäischen Achsenmächte zu zerstören. Der Gotthard wurde zum Symbol der Unabhängigkeit und Wehrhaftigkeit der Schweiz.

Im Laufe der Jahre wird die Straße auf dem Gotthard immer weiter ausgeweitet und zu einem Highlight für Urlauber. 1947 entstand nach nur 65-jährigem Bestehen der Eisenbahn eine neue, noch viel größere Vision. Der Europa-Afrika-Express soll durch einen 57km langen Basistunnel zwischen Amsteg und Biasca den Gotthard durchqueren. 2016 wird der Gotthard-Basistunnel, der längste Eisenbahntunnel der Welt, endlich eröffnet. Für den Weg, der die Händler früher drei Tage kostete, braucht man heute nur 37 Minuten.

im Gotthard-Basistunnel - © Kecko / CC-BY 2.0

Wenn Sie also das nächste Mal auf Ihrer Reise durch die Schweiz die Aussicht vom Gotthardpass aus genießen oder den längsten Eisenbahntunnel der Welt erleben, denken Sie an die Geschichte dieses mystischen Berges und welch Mühsal nötig war, um dieses Erlebnis zu ermöglichen.


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