Thurgauer Äpfel – Blütezeit in Mostindien

Veröffentlicht von Giulia

© Thurgau Tourismus

Es ist Frühling im Kanton Thurgau. Auf den drei bekannten Apfelwegen sieht man die ersten Touristen wandern. Eine frische Brise spürt man auf der Haut, hin und wieder unterbricht das Zwitschern der ersten Vögeli die Ruhe der Natur. Wandernde Touristen sind in der Schweiz keine Seltenheit, aber im Thurgau kommen die Touristen nicht wegen der schönen Schweizer Berge zum Wandern. Ein Naturschauspiel weckt die Neugier von Menschen aus der ganzen Schweiz und ihrer Nachbarländer: Die Apfelbäume blühen. Besonders im Ort Altnau und Umgebung kann man die Bäume mit den weiß-rosa Blüten bewundern.

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Der Thurgau ist schweizweit als Apfelkanton bekannt. 61% der Fläche des Kantons wird landwirtschaftlich genutzt. Neben der Viehwirtschaft ist der Obstanbau der größte landwirtschaftliche Sektor. Jeder dritte Tafelapfel, der in der Schweiz gegessen wird, kommt aus dem Thurgau. Der Obstanbau, besonders der Apfelanbau, hat dort eine jahrhundertealte Tradition und seinen Ursprung bereits in der Antike.


Wie der Apfel in den Thurgau kam

Der Apfel kommt ursprünglich nicht aus Europa, sondern aus dem heutigen Kasachstan in Zentralasien, wo er schon vor über 10.000 Jahren kultiviert wurde. In Europa kamen zuerst die alten Griechen in den Genuss, dann die Römer und erst um 100 v. Chr. brachten diese ihn mit in die Schweiz. Damals konnte aber von einem Apfelanbau, wie man heute praktiziert, noch keine Rede sein. Man aß gelegentlich einen Wildapfel und andere Kernobst Arten. Den Apfel auf kleinen Plantagen anzubauen, wurde erst im 13. Jahrhundert versucht. Bäuerliche Betriebe hatten ein paar Obstbäume auf einer Wiese gepflanzt, die aber primär der Selbstversorgung dienten. Die Nachfrage nach der köstlichen Frucht stieg daraufhin auch bei der gesamten Bevölkerung, so dass ganze Acker mit Obstbäumen bepflanzt wurden. Durch seine Nähe zum Bodensee mit seinem milden Klima und durch seine feuchten Böden erwies sich der Thurgau als ideales Anbaugebiet, das reiche Ernteerträge versprach. Schon bald prägten große Apfelplantagen sein Landschaftsbild.

Eine weitere Beschleunigung des Obstanbaus fand im 18. Jahrhundert statt, als sich Most und die daraus entstandenen, alkoholhaltigen Getränke zum täglichen Konsumgut der Bevölkerung entwickelten. Die Birne, die damals noch beliebter als der Apfel war, wurde zum sogenannten «Birnenhonig» verarbeitet, was als Süßungsmittel genutzt wurde. Um sich das Ausmaß des Obstanbaus im Thurgau vorzustellen, gibt es die ersten dokumentierten Zahlen um 1800. Man zählte 600.000 Obstbäume, wovon zu dem Zeitpunkt «nur» 100.000 Apfelbäume waren. Die tüchtigen Bauern schlossen sich zu ersten Obstgenossenschaften zusammen und züchteten sogar eine eigene Apfelsorte, den Thurgauer Weinapfel, der auch heute noch angebaut wird.

Beim Obstanbau unterscheidet man zwischen hochstämmigen und niederstämmigen Bäumen. Hochstämmige bilden Mostobst, während niederstämmige Tafelobst bilden. Im Laufe der Geschichte konzentrierte man sich zunehmend auf niederstämmige Bäume, da Tafelobst gefragter war als Mostobst. Bis heute produziert der Thurgau nach diesem Prinzip.


Obstanbau im Thurgau heute

Der Thurgau hat heute nach offiziellen Angaben 210.000 Hochstamm-Apfelbäume, baut auf 1600 Hektar Obstkulturen an, darunter 200 verschiedene Apfelsorten. 40.000 Tonnen Äpfel werden jährlich von rund 700 Obstbetrieben in der Region für den Schweizer Markt und für den Export produziert. Die Äpfel werden dabei, je nach Sorte, von Ende August bis Oktober geerntet. Während der Erntezeit gibt es im Thurgau eine Apfelwoche, wo man sich ein eigenes Bild von der Apfel-Landwirtschaft machen und die Äpfel frisch vor Ort kaufen kann. Die meisten Touristen besuchen aber den Thurgau lieber im Frühling während der Apfelblüte.

© tg.ch

«Bluescht-Zeit»

Die Blütezeit der Apfelbäume wird im Thurgau auch «Bluescht» genannt. Damit die Touristen wissen, ob die Bäume schon blühen und ob es sich lohnt den Weg in den Thurgau auf sich zu nehmen, hat dar Kanton eine originelle Informationsstelle eingerichtet. Unter einer Telefonnummer erreicht man «Madame Bluescht», die informiert, wo und welche Bäume blühen und die besten Hotspots dazu empfiehlt. Auch Online kann man «Madame Bluescht» finden. Dort findet man auch ein Quiz rund um den Apfel und die Blüte, sowie eine Webcam, mit der man Live das Naturspektakel von daheim aus betrachten kann.

Hat man mit «Madame Bluescht» gesprochen und kommt zur vollen Blüte in den Thurgau, findet man die meisten Obstbäume bei Altnau. Das Örtchen bietet drei idyllische Strecken unterschiedlicher Längen zum Erkunden an. Diese tragen die herzigen Namen Lisi, Emma und Fredi. Auch für das Fahrrad sind sie bestens geeignet. Entlang der Strecken kann man viele Infotafeln entdecken, die noch mehr interessantes Wissen zu dem Obstanbau in der Region vermitteln. Die Strecken sind auch für Kinder ein großer Spaß und wecken den Entdecker-Geist.

Wer sich für die Getränkeherstellung in der Region interessiert, der kann einen Zwischenstopp beim Mosterei- und Brennereimuseum «MoMö» einlegen, das von der Mosterei Möhl betrieben wird. Dort kann man eindrucksvoll lernen, wie aus Mostäpfeln Saft oder köstlicher Cider hergestellt wird.

Bluescht - © Thurgau Tourismus
«MoMö» Museum - © Thurgau Tourismus


Schlafen unter Apfelbäumen

Wer sich dem Zauber der Apfelbäume nicht mehr entziehen kann, dem gibt das Hotel Hagschnurer Hof die Möglichkeit, im Sommer unter freiem Himmel zu übernachten. Hier kann man ein Doppelbett buchen, das an einen Einachsertraktor gekoppelt ist. Voraussetzung dafür sind warme Temperaturen und natürlich trockenes Wetter.

Ein Bett im Apfelbaumfeld - © Thurgau Tourismus


Warum wird der Thurgau auch Mostindien genannt?

Der Thurgau wird häufig als Mostindien bezeichnet. Der Begriff tauchte erstmals im Satiremagazin «Postheiri» im Jahr 1853 auf. In einer Karikatur zum Ausbau des Eisenbahnnetzes in der Schweiz wird der Thurgau scherzhaft mit Ostindien, dem damals lukrativsten Handelsziel der europäischen Großmächte zwischen Indien und China verglichen. Während die Briten mit ihrer «East India Company»-Handelsflotte beispielsweise Tee aus Ostindien importierten, baute die derzeit erst neunjährige Schweizer Eisenbahn laut Karikatur ihr Schienennnetz aus, um Obst aus «Mostindien», dem Thurgau zu transportieren. Solche Wortspiele waren im «Postheiri» typische Scherznamen für Städte oder Kantone der Schweiz.

Mostindien-Karikatur aus dem «Postheiri» 1853


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