Die Walliser Cholera (mit Rezept und Bauplan)

Veröffentlicht von René

Cholera: viel appetitlicher als ihr Name - © René Buss

Verwirrung, Belustigung, Schock und Ekel. Vor Walliser Restaurants und Cafés erspäht man häufig ahnungslose Touristen, denen mindestens eins dieser Gefühle deutlich erkennbar die Gesichtsmuskeln sabotiert, wenn sie am Eingang die ausgehängte Speisekarte studieren: "Um Himmels Willen, Heinz! Hier bekommt man Cholera!" - "Auslandskrankenschutz haben wir vergessen, Roswitha. Lass uns lieber da vorne, in dem anderen Restaurant ein Schnitzel mit Pommes essen!" Und so ziehen Heinz und Roswitha weiter. Sie wissen ja nicht, was sie verpassen.

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Was ist "Cholera" und woher kommt der Name?

Natürlich handelt es sich bei der "Cholera" auf der Speisekarte um ein traditionelles Walliser Gericht, einen gedeckten Gemüsekuchen. Auch nachmittags ist sie übrigens ein beliebter Snack in Cafés. Warum man dieser Speise einen solch unappetitlichen Namen gab, lässt sich nicht genau feststellen. Die wahrscheinlichste Theorie bringt sie jedenfalls nicht mit der üblen Magen-Darm-Bakterien-Infektion in Verbindung, sondern verweist auf die ursprüngliche Zubereitungsweise. Als es noch keine Backöfen, Gas- und Elektroherde und Springformen gab, kochte man am offenen Feuerofen in der Küche. Der Gemüsekuchen wurde in einer Pfanne gebacken, die man in die heiße Kohle legte, welche man aus dem Feuer heraus in eine Mulde vor dem Ofen zog. Das walliserdeutsche Wort für Kohle ist "Cholu" und das walliserdeutsche Wort für die Kohlenmulde vor dem Ofen ist "Cholära". Das Suffix "-ära" (vom althochdeutschen "-ere" abgeleitet) bezeichnet generell einen Ort, an dem man das Vorangestellte gesammelt vorfindet. Also in diesem Fall den "Ort, an dem man Kohle anhäuft".

Die andere Theorie stellt hingegen den Kranheitsbezug her. Zu Zeiten der tödlichen Cholera-Epidemie im Wallis, Anfang des 19. Jahrhunderts, war es den Einwohnern nicht möglich, Lebensmittel und andere Waren einzukaufen. Lieferdienste, welche man per Internet beauftragt, die Einkäufe vor die Haustür zu liefern, gab es selbstverständlich noch nicht. Trotzdem sollen sich die Walliser in den selbstgewählten "Lockdown" begeben haben, um sich nicht zu infizieren. Da es aber üblich war, einen Gewissen Vorrat an Gemüse im Garten selbst anzubauen, musste man nicht verhungern. Man nahm einfach von allem, was man im Haus hatte ein Bisschen und bereitete eine prächtige Mahlzeit daraus zu. Der Vorteil: Die Zutaten hatte man fast ganzjährig zur Verfügung. Ergo ist die "Cholera" kein Saison-Gericht.

Nutzgärten im Goms - noch heute sehr beliebt
© René Buss
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Womit wird die Cholera gefüllt?

Ein guter Haushalt hat immer einen Sack Mehl für Teigwaren auf Lager. Zwiebeln, Lauch und Kartoffeln ließen sich überall anbauen. Obstbäume waren ebenfalls weit verbreitet und Hühnerställe gehörten zum typischen Dorfbild. Eier gab es also jeden Tag frisch. Butter und Walliser Raclettekäse sind natürlich Pflicht in einem Walliser Haushalt. Aus all diesen vorhandenen Zutaten zauberten die Damen der Häuser im Goms, im Oberwallis zwischen Furka-Pass und Aletschgletscher die köstliche "Cholera", deren Rezept sich inzwischen bis ins ferne, französischsprachige Unterwallis verbreitet hat. Dabei ist es nicht unüblich, dass hier und da die ein oder andere Zutat ausgelassen oder durch eine andere ersetzt wird. So stehen heute viele Restaurants in lebhafter Konkurrenz um den Ruf, die beste Cholera zu haben.


Wer hat denn das beste Cholera-Rezept?

Das beste Cholera-Rezept aus dem Goms haben natürlich wir. Das isch eso! Mindestens vier bis sechs Personen macht sie satt und glücklich. In unserem Rezept "bauen" wir eine Großformat-Cholera in einer Springform mit doppelter Schichtung. Man kann natürlich auch die Zutaten für die Füllung halbieren und jeweils nur eine Schicht auftragen. In dem Fall würde eine einfache Quiche-Form genügen. Das hätte allerdings den tragischen Nachteil zur Folge, dass die Cholera zu schnell aufgegessen ist und man kein Extrastück für den nächsten Tag hat, denn dann schmeckt sie aufgewärmt fast noch besser.


Was trinkt man am besten zur Cholera?

Da kommt doch gleich der alte Gassenhauer in den Sinn: "Juppheidi, Juppheida! Schnaps ist gut für Cholera!" Einen Bezug zu dem Walliser Gericht dürfte der Komponist zwar nicht beabsichtigt haben, aber ein Abricotine AOC Valais kommt nach einem Stück Cholera immer zupass. Bis dahin empfiehlt sich ein feiner Heida Valais AOC Weißwein oder ein kühles, leichtes Lagerbier. Doch zunächst widmen wir uns dem Rezept für die Cholera, beziehungsweise dem "Bauplan" für die richtige Schichtung. Es gibt zwar auch Restaurants, die einfach alle Zutaten vermischen und dann in den Teig füllen, wir wollen aber, dass alle Zutaten gleichmäßig verteilt sind und dass jedes Stück gleich schmeckt und auch das Auge erfreut. Deshalb halten wir uns respektvoll an die alte Gomser Hausfrauentradition und schichten alles gründlich und mit Liebe auf.


 
"Walliser Cholera" - Rezept und "Bauplan"


Zutaten:

1kg festkochende Kartoffeln
1 Gemüsezwiebel
1 große Stange Lauch
125g Speckwürfeli
1 dicken Apfel
2-3 Birnen (je nach Größe)
14 Scheiben Raclettekäse (Pfännchenformat)
25g Butter
2 fertige Blätterteige
1 Ei


Gewürze:

Salz
Pfeffer
Muskat
Kümmel
Thymian
Paprika (edelsüß)
Knoblauchpulver

 
Vorbereitung der Füllungen

  • Kartoffeln schälen und in ca. 5mm dicke Scheiben schneiden.
    10-15min in Salzwasser kochen, abgießen und abkühlen lassen.
  • Zwiebel in Würfel schneiden und in Butter andünsten.
  • Lauch längs vierteln, schneiden und zu den Zwiebeln geben.
  • Mit Salz, Pfeffer, Muskat und etwas Kümmel würzen.
    Speckwürfeli hinzugeben und mitdünsten, bis der Lauch weich ist.
  • Dann alles in einem Sieb abtropfen und auskühlen lassen.
  • Den Apfel und die Birnen schälen, vierteln, entkernen und wie die Kartoffeln in Scheiben schneiden.
  • Einen Springformboden (ca. 28cm Ø) mit Backpapier belegen, den Ring der Form einbuttern.
    Einen Blätterteig in die Springform legen und den Boden mit einer Gabel einstechen.


"Bauplan": Die Cholera richtig schichten

1. Den Boden möglichst dicht mit Kartoffelscheiben belegen.
© René Buss


2. Äpfel
und Birnen gleichmäßig verteilt und dicht auf die Kartoffeln legen.
© René Buss


3.
Die Hälfte der Lauch-Zwiebel-Mischung gleichmäßig auftragen.
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4.
Die Hälfte der Raclettescheiben auf die Lauchmischung legen und mit Paprika, Thymian, wenig Muskat und Knoblauchpulver würzen.
© René Buss


5.
Schritte 1 bis 4 wiederholen.
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6.
Mit dem zweiten Blätterteig die Cholera abdecken. Das Ei verklopfen und den Blätterteig damit bepinseln. In der Mitte ein ca. 1cm-großes Loch in den Teig stechen, damit Dampf entweichen kann.
© René Buss


7.
Die Cholera etwa 30-40min bei 200°C (180°C Umluft) im Ofen backen.
© René Buss


An Güete!
© René Buss


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