Die Berner Platte (mit Rezept) - Ein kulinarischer Schlachtenepos

Veröffentlicht von René

Berner Platte - © myswitzerland

In den Speisekarten Berner Restaurants findet man viele Speisen, die als "echte Berner Küche" angepriesen werden. Die meisten davon, wie die "Berner Rösti", sind höchstens in ihrer Art der Zubereitung original Bernisch. Rösti gibt es schließlich in der ganzen Schweiz. Aber ein Gericht repräsentiert den Kanton Bern wie kaum ein anderes, obwohl es nicht einmal Käse hat. Keinen Emmentaler, keinen Tête de Moine, selbst keinen Gruyère, der zwar vielerorts im Kanton Bern produziert wird, aber eigentlich ein Fribourger Original ist, wird darin verwendet. Das Gericht zeigt nur allzu deutlich, was die Berner am liebsten essen: Fleisch, Fleisch, Fleisch, Wurst und ein Bitzeli Gemüse.

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Bern - das Bollwerk der alten Eidgenossenschaft gegen die Franzosen

Die Berner Platte hat ihren Ursprung nicht wie das Raclette in friedlicher Alpidylle. Die geografische Lage des Kantons, damals noch unmittelbar an der Grenze zu Frankreich, erforderte höchste Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit der Berner. Im 15. Jahrhundert mussten sie sich gegen Karl den Kühnen, Herzog von Burgund und seine Armee behaupten und 1798 fielen die Franzosen unter Napoleon III. in die Schweiz ein, um die "Helvetische Republik" nach ihrem Geschmack zu gestalten. Einen Franzoseneinfall haben die Berner heute zwar nicht mehr zu befürchten, aber noch heute ist der Kanton Bern wegen seiner ereignisreichen Geschichte eine Hochburg der Schweizer Armee. Die Schweizer Luftwaffe erlebte ihre Geburtsstunde bei den ersten Luftschiffern im Berner Beundenfeld und die 43.000-Einwohner-Stadt Thun beherbergt den größten Waffenplatz der Schweiz samt Ausbildungszentrum und Kaserne. Häufig hört man noch in der Stadt das Donnern der Panzerkanonen. Logisch, dass die Berner Platte nichts mit Sennen am Lagerfeuer zu tun hat, sondern mit Soldaten. Es sind Geschichten wie diese, die Tolkien zu den großen Schlachten im "Herr der Ringe" inspirierte.

Die Schlacht bei Neuenegg 1798
Die Schlacht von Neuenegg

Am 2. März 1798 fielen die französischen Truppen in den Kanton Fribourg ein. In hoffnungsloser Unterzahl ergaben sich die Freiburger kampflos. Weitere Truppen fielen zusätzlich in den Kanton Solothurn ein, um die wehrhaften Berner von Norden und von Westen aus in die Zange zu nehmen. 10.000 Franzosen rückten im Schatten der Nacht auf den 5. März von Fribourg im Westen Richtung Bern vor. Die kleine Zahl Berner Soldaten bei Neuenegg schlugen sie rasch in die Flucht. Noch in derselben Nacht wurden in der 10km entfernten Stadt Bern rund 2300 Männer mobilisiert, um die Franzosen zurückzuschlagen. Auf halber Strecke zwischen Bern und Neuenegg trafen sie aufeinander und es gelang ihnen trotz zahlreicher Verluste, die Franzosen bis Neuenegg zurückzutreiben, die sich schließlich von dort aus nach Fribourg zurückzogen. Doch noch während des Jubels der Berner über die gewonnene Schlacht von Neuenegg, ereilte die Soldaten die schreckliche Nachricht aus Bern: Die von Norden her vorrückenden Franzosen haben zeitgleich die Schlacht am Grauholz, 4km nördlich von Bern gewonnen und sind bereits in Bern einmarschiert. Zunächst wollten die Berner Soldaten der Nachricht keinen Glauben schenken und die Franzosen bereits nach Fribourg verfolgen. Als schließlich der Befehl zum Rückzug kam, richteten sich einige Soldaten wütend gegen ihre Offiziere. Niedergeschlagen machten sich die Soldaten auf den Weg in ihre Heimatdörfer.


Ein Festmahl für müde Krieger

Der Legende nach machte ein müder Dragoner unterwegs im Dorf Wohlen mit seinem Pferd Rast, um sich ein Bier im Gasthof zu genehmigen. Die Frauen des Dorfes eilten herbei in der Hoffnung, Nachricht über ihre Männer zu erhalten. Der Dragoner berichtete, dass die Männer bereits, wie auch er, auf dem Heimweg seien. Sofort suchten die Frauen all ihre Vorräte zusammen, um den müden Männern eine gute Mahlzeit im Gasthof zu servieren, wie sie im Militär sicher lange nicht mehr hatten. Die einen brachten geräucherten Speck, andere brachten Schweinshaxen, Zunge, Kasseler, Markknochen, geräucherte Würste und die Frau des Metzgers brachte ein großes Stück Suppenfleisch von der Rinderbrust herbei. Metzger gab es neben Viehzuchtbetrieben viele in der Region.
Gemüse baute nahezu jeder Haushalt mit Garten selbst an. Heute ist das nahgelegene Berner Seeland zur "Gemüsekammer der Schweiz" herangewachsen. Zu dieser frühen Jahreszeit war frisches Gemüse jedoch rar, aber Kartoffeln und konserviertes Gemüse wie Sauerkraut und gedörrte grüne Bohnen waren in jedem guten Haushalt zu finden. All diese Zutaten wurden nun gekocht. Um das ganze auch appetitlich zu servieren, breiteten die Frauen das gekochte Gemüse auf großen Platten aus und legten darauf das aufgeschnittene Fleisch, damit sich jeder nach Belieben daran bedienen konnte.
Jeder Haushalt des Dorfes hatte seinen Teil zu diesem Mahl beigetragen, jeder Haushalt der Region Bern konnte sich mit diesem Gericht identifizieren. Regionale Wurstspezialitäten wie die Berner Zungenwurst sind essenzielle Komponenten. Deshalb nannte man es stolz "Berner Platte".


Was heute auf eine Berner Platte gehört - oder auch nicht

In anderen Regionen der Schweiz waren die Vorratskammern mit anderen Lebensmitteln gefüllt und eine Berner Platte nicht nachzukochen. Selbst heute noch findet man außerhalb von Bern kaum echte Berner Zungenwurst. Ihr Name ist übrigens leicht irreführend. Es ist weder Zungenfleisch darin, noch hat sie irgendeine Ähnlichkeit mit der blutwurstähnlichen Zungenwurst, die man häufig im Supermarkt als Aufschnitt findet. Mit grobem und feinem Brät von Schwein und Rind erinnert sie eher an eine Cabanossi, wie man sie in Eintopfgerichten verwendet. Die Paprikawürze der Cabanossi muss man sich natürlich wegdenken. Auch die anderen Fleischzutaten werden heute noch, je nach Verfügbarkeit aufgetischt. In den Speisekarten findet man das Kasseler als "Rippli", das Suppenfleisch als "Siedefleisch" und die Haxen als "Gnagi" deklariert. Eingedeutscht wäre die Haxe ein "Genage", eben weil man den Knochen "abnagen" muss. Ein "Gnagi" tönt jedenfalls deutlich appetitlicher als ein "Genage".

Berner Zungenwurst - © aop-igp.ch

Wie es sich für ein Schweizer Gericht gehört, hat auch die Berner Platte einen großen Streitpunkt. So wie die einen behaupten, eine Rösti müsse man mit rohen Kartoffeln machen und die anderen behaupten, man müsse sie mit gekochten Kartoffeln machen, so streiten sich auch die Berner darüber, ob auf die Berner Platte Dörrbohnen oder frische grüne Bohnen gehören. Geschmacklich macht es schon einen Unterschied. Getrockete Tomaten schmecken eben auch anders als frische. Dass im März 1798 frische Bohnen verwendet worden sein sollen, ist jedenfalls fraglich, wenn man die sommerliche Erntezeit der Bohnen berücksichtigt. Das häufigste Gegenargument der Frischbohnenpartei: "Die Berner Platte hat es sicher auch schon vorher gegeben!" Auch das ist nicht auszuschließen. Derartige "Schlachtplatten" gibt und gab es schließlich auch anderenorts. Aber dennoch schmeckt die "Berner Platte" definitiv nirgendwo so gut wie in Bern. Und was wäre die Schweiz schon ohne ihre Legenden und Mythen?


Wo bekommt man eine Berner Platte?

Wenn Sie im Kanton Bern unterwegs sind, halten Sie in Restaurants und Gasthöfen mit regionaler Küche Ausschau nach der Berner Platte! Inzwischen gibt es viele, teils moderne Variationen mit anderen Fleischsorten. Sie mögen keine deftigen Fleischplatten? Auch mich schrecken deftige "Schlachtplatten" grundsätzlich eher ab. Aber wenn im Restaurant eine Berner Platte auf der Karte steht, dann wird sie unbedingt bestellt. Die Portionsgrößen sind in der Regel recht human bemessen und weit weniger mächtig, als man denkt. Ein Tipp an dieser Stelle: Den Gasthof, in welchem sich die Legende um die Erfindung der Berner Platte zugetragen haben soll, gibt es noch immer. Der Gasthof "Kreuz" in Wohlen serviert noch heute in urchigem Ambiente die echte Berner Platte, auch als kleine Portion, quasi "abgespeckt". Wenn Sie jedoch keine Gelegenheit haben, nach Bern zu reisen, dann kochen Sie die Berner Platte doch einfach zu Hause nach. Auch wenn sie nicht so schmecken wird, wie in Bern, so kommt sie dem Original doch recht nahe und lindert ein Wenig das Fernweh. Das Wichtigste dabei ist, dass Sie hochwertiges Fleisch von der lokalen Metzgerei verwenden, anstatt Billigfleisch aus dem Supermarkt. Die Bohnen können Sie einfach selbst dörren (vorher blanchieren!) oder - notfalls - auf frische zurückgreifen.

Heute fast unverändert - Der Gasthof Kreuz in Wohlen
Urchiges Ambiente - © Gasthof Kreuz Wohlen
Variante der Berner Platte im Restaurant Anker in Bern - © René Buss

 
"Berner Platte" - Rezept für 4 Personen:


Fleischbeilagen:

350g Suppenfleisch vom Rind mit Knochen
In Gemüsebouillon je nach Größe ca. 2-3 Stunden sieden.

4 Markknochen vom Rind
Mit der heißen Bouillon aufgießen und ziehen lassen.

250-300g Kasseler in Scheiben
300g Berner Zungenwurst (alternativ Cabanossi o.Ä.)
Wasser kurz aufkochen, beruhigen lassen, Kasseler und Wurst darin ziehen lassen.

200g geräucherter Bauchspeck
In Gemüsebouillon kochen.

Als Extra-Bonus nach Belieben: 1 Gnagi (Schweinshaxe)
Im Backofen garen.


Gemüsebeilagen:

500g Sauerkraut
100g Dörrbohnen
700g festkochende Kartoffeln
1 Zwiebel (ein knappes Viertel davon für die Bohnen aufbewahren!)
100g Speckwürfel
30g Schweineschmalz
20g Butter
1 Lorbeerblatt
Bohnenkraut
Wacholderbeeren, Piment, Gewürznelken
Salz, Pfeffer


Sauerkraut:
Zwiebelstreifen in Schmalz glasig andünsten.
Die Hälfte der Speckwürfel und Sauerkraut, etwas Bouillon, Weißwein und Lorbeerblatt dazugeben.
Gewürze fein gemahlen oder gemörsert dazugeben.
Ca. 20-25min dünsten lassen.

Dörrbohnen:
Dörrbohnen ca. 30min ohne Salz kochen und anschließend in einem Sieb unter kaltem Wasser abschrecken.
Übrige Speckwürfel und Zwiebeln in Butter andünsten, Bohnen und etwas Bouillon dazugeben und etwa 20min dünsten.
Mit Salz, Pfeffer und Bohnenkraut abschmecken.

Kartoffeln:
Schälen und mit Salz kochen


En Guete!

 


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