Das Unspunnenfest in Interlaken - Schweizer Volkssport am eigenen Leib erleben

Veröffentlicht von Joelina

© Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»

Alle zwölf Jahre lassen sich in Interlaken sämtliche Volksportarten, Volksmusikstile und Trachten der Schweiz an einem einzigen Ort erleben. Sportliche Höchstleistungen, Volksfeststimmung und gelebte Tradition machen das große Unspunnenfest wahrhaft einzigartig. Auch Besucher und Kinder können die traditionellen Schweizer Sportarten vor spektakulärer Kulisse aus Eiger, Mönch, Jungfrau, dem Thunersee und dem Brienzersee ausprobieren. Der Zuschauermagnet zog zuletzt 90.000 Besucher aus der Schweiz und dem Umland an. Steigende Zuschauerzahlen sind auch weiterhin zu erwarten.

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Versöhnung von Stadt und Land

Das große Unspunnenfest fand erstmals 1805 an der Burg Unspunnen bei Interlaken statt. Kurz nach der Neuausrichtung der Schweiz durch die Mediationsakte Napoleons war die politische und gesellschaftliche Stimmung im Berner Oberland angespannt. Die durch die Französische Revolution erlangten Fortschritte hinsichtlich der Gleichberechtigung zwischen Stadt- und Landbevölkerung wurden durch die tiefgreifende Autonomie des Berner Verwaltungsgebiets schnell wieder revidiert. Die wohlhabenden Patrizier hoben sich rasch wieder selbst in eine Vormachtstellung. Ganz zum Nachteil der Landbevölkerung wurde das «Ancien Régime» weitgehend restauriert. Dementsprechend nahm die gesellschaftliche Spaltung in den Folgejahren nach 1803 weiter zu. Um dem entgegenzuwirken, regten vier Patrizier die Ausrichtung eines Alphirtenfestes an, um die Stadt- und Landbevölkerung zu einen, mögliche Aufstände präventiv zu verhindern und die Treue gegenüber dem Kanton Bern zu stärken. Auch die Opposition, die «Patrioten», unterstützte das Volksfest. Während die einen Regierungstreue beschwören wollten, versuchten die anderen, durch Gemeinschaft zwischen Stadt und Land das System zu verändern - zwei Ziele, die gegensätzlicher kaum sein konnten. Doch in einer Angelegenheit waren sich beide Seiten einig: Die während der französischen Besatzung verlorenen Kulturgüter, Volkslieder und Bräuche mussten wiederbelebt werden.
Der Hintergrund des ersten Festes im Jahr 1805 war eindeutig politisch, verpackt in der Wahrung von Traditionen. Entgegen der Befürchtungen der Regierung verlief es äußerst friedlich.

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Startschwierigkeiten und das Aufleben des Kultfestes

Die inoffiziellen Ziele hinter der Veranstaltung wurden jedoch nicht erreicht. Zwar fanden Handwerk und Tradition ihre Bühne, doch die politischen und gesellschaftlichen Spannungen blieben bestehen. So kam es, dass das Fest nur zweimal stattfand: 1805 und 1808. Schon bei der Auflage von 1808 gab es Finanzierungsprobleme, sodass die Berner Regierung widerwillig finanzielle Unterstützung leisten musste. Erst 100 Jahre später wurde das Fest mit gezielt touristischen Ambitionen wiederbelebt. Schon die ersten beiden Ausführungen galten als Startschuss für den Massentourismus in der Schweiz. 1905 kamen bereits 22.000 Gäste nach Interlaken. Von da an wurde das Fest alle 12 Jahre ausgetragen. Zuletzt 2017 unter dem Motto «Altes erhalten – Neues gestalten» liefen Programme zur Nachwuchsförderung, für besondere Edelweistrachten und exklusive Briefmarken der Schweizer Post.


Die Disziplinen am Unspunnenfest

Das Ziel des Festes, alte Traditionen zu bewahren und wiederzubeleben, begeisterte die Bevölkerung von Anfang an. Die ältesten und bekanntesten Traditionssportarten der Schweiz werden am Unspunnenfest in Turnieren demonstriert: das Schwingen, das Steinstoßen mit dem Unspunnenstein, das Hornussen und natürlich das Schießen werden von Volksmusik, der Patrouille Suisse, einem Trachtenumzug, Alphörnern, Kühen, Schafen, Geissen und natürlich gutem Schweizer Essen begleitet.

Patrouille Suisse - © Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»
© Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»
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Das Schwingen, als beliebtester Volkssport der Schweiz, ist das zentrale Event während des Volksfestes. Die Schweizer Variation des Ringkampfes war zunächst keine eigenständige Sportart, sondern immer in Volksfeste eingebettet. Heute sind regionale und nationale Schwingfeste die größten Events der Schweiz. Um am großen Unspunnenfest als Schwinger teilzunehmen, muss man sich zunächst über das Unspunnen-Schwinget qualifizieren, das alle sechs Jahre stattfindet. Unter tosendem Applaus und lautstarkem Anfeuern drücken, ziehen und werfen sich die Kontrahenten im Sägemehlring, bis einer von beiden auf dem Rücken festgesetzt wird. Der Gewinner des Turniers erhält als Preis einen Bullen.

© Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»
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© Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»
© Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»


Auch das Stoßen des Unspunnensteins ist ein zentrales Highlight des Festes. Der Stein ist 83,5 Kilogramm schwer und muss - mit oder ohne Anlauf - so weit wie möglich geschleudert werden. Der aktuelle Rekord liegt bei stolzen 3,98 Metern. Der Unspunnenstein gilt als der wohl meistgesuchte Stein der Schweiz. Das historische Original existiert nicht mehr – zumindest nicht im Museum. Jurassische Separatisten stahlen den Stein 2005 bereits und haben ihn bis heute nicht zurückgegeben. 1984 wurde er schon einmal von den Separatisten gestohlen und erst 17 Jahre später zurückgegeben.

© Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»
© Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»
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Am Samstag des Festes findet ein imposanter Trachtenumzug mit bis zu 4.000 Teilnehmern aus sämtlichen Schweizer Regionen statt. Traditionelle Schweizer Trachten und Musik unterhalten Schaulustige aus aller Welt. Denn die Trachten sind weit mehr als bloße Kostümierung: Sie sind Ausdruck der Tradition, des Schweizer Gemüts und Zeitzeugen der bewegten Schweizer Geschichte. Die Trachten erzählen von der Lebensweise der Schweizerinnen und Schweizer, ihren Berufen und ihrem ganz eigenen Charakter. Jede Tracht hat ihre charakteristischen Elemente. Regionale Unterschiede und verschiedene Epochen werden eindrücklich sichtbar.

© Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»
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Rund um die großen Schweizer Traditionen gibt es natürlich auch reichlich Verpflegung. Alles, was das Herz und der Magen begehren, ist vorhanden. Intensiv duftender Käse, warmes Raclette, Fondue und guter Wein verköstigen die Gäste. Auch das Schweizer Handwerk findet seinen Platz.

Das Unspunnenfest ist längst mehr als nur ein Symbol für die Versöhnung von Stadt und Land. Dennoch werden stets Mitglieder des Bundesrates als Ehrengäste eingeladen. Auch wenn alte Konflikte verblasst sind, bleibt seine kulturelle Relevanz ungebrochen. Alle zwölf Jahre wird Interlaken zum Treffpunkt der ganzen Schweiz. In einer zunehmend globalisierten Welt ist das Unspunnenfest ein lebendiger Ausdruck nationaler Identität und gelebter Gemeinschaft im Einklang mit Weltoffenheit und Gastfreundschaft. Das nächste große Unspunnenfest findet 2029 statt.

© Verein «Schweizerisches Trachten- und Alphirtenfest Unspunnen»
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