Schweizer Trachten - Lebendige Traditionen und Spiegel der Geschichte

Veröffentlicht von Giulia

© trachtenvereinigung.ch / Samuel Mühleisen

Wenn man das Glück hat, während eines Urlaubs in der Schweiz ein Volksfest mitzuerleben, wird man viele Einheimische, gekleidet in traditionelle Schweizer Trachten sehen. Diese bunten und reich verzierten Garderoben gehören wie die Kühe und das Raclette zur Kultur des Landes. Auch wenn Trachten heute im normalen alltäglichen Leben kaum noch zu sehen sind, so haben sie die Jahrhunderte überdauert und leben bei Festen und in Vereinen weiter. Die über 700 verschiedenen Trachtenarten der Schweiz spiegeln eine enorme regionale Vielfalt wider und erzählen von der langen Geschichte, die diese besondere Kleidung geprägt hat.

Entdecken Sie feine Schweizer Produkte in unserem Shop
Zum Shop →


Die Ursprünge der Trachten als bäuerliche Arbeitskleidung

Die Geschichte der Trachten reicht viele Jahrhunderte zurück. Ursprünglich waren sie als Arbeitskleidung der Landbevölkerung zweckmäßig an die Berufe und Tätigkeiten des bäuerlichen Lebens angepasst. So wurden die Trachten aus robusten Materialien wie Leinen, Hanf oder Wolle genäht. Das sind Stoffe, die den harten Anforderungen des täglichen Lebens gerecht wurden. Die Kleidung wurde meist selbst hergestellt. Ob Bauer, Schäfer oder Handwerker, jede Berufsgruppe hatte ihre eigenen Trachten mit charakteristischen Elementen. Schon in den ersten Jahrhunderten zeigten die Trachten die kulturellen Besonderheiten und den Lebensstil der jeweiligen Region. Gleichzeitig gab es auch Einflüsse der Nachbarländer, die sich in den Details der Trachten widerspiegelten. Ein Beispiel sind die Strohhüte, die die Frauen in Neuenburg trugen. Ein Element, das ursprünglich aus Versailles stammt und dort im 18. Jahrhundert in die dortige Tracht übernommen wurde. Ebenso zeigte sich der Einfluss der verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen in den Trachten: In protestantischen Regionen waren sie meist schlicht und bescheiden, während die katholischen Gebiete oft prunkvollere und aufwendige Verzierungen bevorzugten.

Nidwaldner Tracht, 18. Jhdt. - © helveticarchives.ch

Trachten als Kunst

Im Laufe der Zeit gewannen Trachten auch in der Kunst an Bedeutung. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden sie vermehrt in der Malerei dargestellt und dienten als Symbol für die Schweizer Identität. Maler wie Josef Reinhard hielten die Trachten in ihren Porträts fest. Nicht nur in der Kunst fanden Trachten Anklang. Auch wohlhabende Touristen kauften sie als Erinnerungsstücke oder Geschenke. Doch mit den neuen Arbeitsansprüchen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert verschwanden die Trachten allmählich aus dem Alltag und wurden zunehmend durch industriell gefertigte Kleidung ersetzt. Trachten trugen bald nur noch die Menschen auf dem Land zu festlichen Anlässen.


Die Wiederbelebung der Trachtenkultur und das erste Trachtenfest

Um die Trachten als wichtiges kulturelles Erbe zu bewahren, wurde 1898 das erste Trachtenfest in Zürich veranstaltet. Dieses Fest war ein Meilenstein und ein Zeichen dafür, dass die Schweizer ihre traditionellen Kleidungsstücke nicht nur als nostalgische Relikte, sondern als lebendigen Teil ihrer Kultur bewahren wollten. Parallel dazu begann das Schweizerische Landesmuseum, bäuerliche Trachten und Schmuck zu sammeln und auszustellen, um die Tradition für kommende Generationen zu erhalten.

1926 gründete sich die Schweizerische Trachtenvereinigung, die bis heute als Dachverband fungiert und den Austausch zwischen Trachtenliebhabern und -vereinen fördert. In den darauffolgenden Jahrzehnten entstanden in den Kantonen eigene Trachtenvereinigungen und die Zahl der Trachtenvereine stieg kontinuierlich bis in die 1950er Jahre. Zwar gab es mit den gesellschaftlichen Veränderungen der 1960er Jahre und einem Generationenwechsel einen leichten Rückgang der Mitgliederzahlen, doch bis heute sind die Trachtenvereine in der Schweiz sehr aktiv.

Walliser Trachten - © René Buss
Berner Sennentrachten - © interlaken.ch

Trachten heute: Kultur in moderner Zeit

Heutzutage werden Trachten in der Schweiz fast nie im Alltag getragen. Dennoch sind sie ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Traditionen und Volkskultur. Die Schweizerische Trachtenvereinigung veranstaltet alle zwölf Jahre das Eidgenössische Trachtenfest, ein Großereignis, dass Trachtenliebhaber aus der ganzen Schweiz anzieht. Trachten sind somit ein Bindeglied zwischen den Generationen und eine Möglichkeit, die regionalen Besonderheiten darzustellen. Interessanterweise gibt es gewisse Regeln, die mit dem Tragen von Trachten einhergehen. So wird beispielsweise erwartet, dass die Tracht des Heimat- oder Wohnortes getragen wird. Außerdem ist es traditionell nicht gern gesehen, die Tracht mit modernen Kleidungsstücken zu kombinieren, da die authentische Gestaltung der Tracht ein Zeichen der Ehre und des Respekts gegenüber der Tradition ist. Leider ist auch die Trachtenwelt von billigen Kopien unterwandert. Die hohe Nachfrage hat dazu geführt, dass immer mehr Trachten aus dem Ausland importiert werden, häufig in schlechter Qualität. Diese Konkurrenz durch minderwertige Produkte macht es den Schweizer Herstellern schwer, die hohen Standards und die kunstvolle Handarbeit zu erhalten, die die originalen Trachten auszeichnet. Ein echter Kenner sieht jedoch auf den ersten Blick, ob es sich um ein Original oder ein billiges Plagiat handelt.

Moderne Adaption: Edelweisshemden - © René Buss
Appenzeller Tracht mit Samtjacken - © René Buss

Die Vielfalt der Schweizer Trachten: Ein Land, viele Stile

Schweizer Trachten unterscheiden sich nicht nur von Kanton zu Kanton, sondern oft sogar auch von Dorf zu Dorf. Trotz dieser Vielfalt lassen sich gewisse Merkmale feststellen, die typisch für Schweizer Trachten sind und eine gewisse Ähnlichkeit, beispielsweise zu den Trachten Bayerns aufweisen, wie sie etwa zum Oktoberfest getragen werden. So tragen Frauen in der Regel lange Kleider oder Röcke, während Männer Hosen bevorzugen. Die Frauen-Trachten sind oft aufwendig gestaltet und bestehen aus mehreren Schichten: einem Hemd mit Puffärmeln, einem Mieder und einem Faltenrock, der häufig in Farben wie Rot, Blau oder Grün gestaltet ist und ein edles Aussehen verleiht. Je nach Region kommen reichlich Accessoires wie Schmuck, Hauben und Tücher hinzu, die das traditionelle Erscheinungsbild abrunden. Die Männer-Trachten sind oft etwas schlichter gehalten, dafür aber aus sehr robusten Materialien gefertigt. Die typischen Bestandteile sind ein Hemd aus Leinen, darüber eine Weste oder Jacke aus Samt mit dekorativen Knöpfen und Stickereien und eine passende Woll- oder Leinenhose. Accessoires wie Hüte und Edelweiß-Anstecker sind häufig erkennbar und verleihen der Tracht eine besondere Note. Die Farben sind meist gedeckt, oft in Schwarz, Braun oder Blau, mit roten oder weißen Akzenten. Zu den bekanntesten Schweizer Trachten zählen die Bernertracht bei den Frauen und die Appenzeller Sennentracht bei den Männern.

Bernertracht - © Trachtenvereinigung Bern
Appenzeller Sennentracht

Relikte der Vergangenheit oder Tradition mit Zukunft?

Die Schweizer Trachten sind nicht einfach beliebige Kleidungsstücke. Sie sind Ausdruck einer reichen Kultur, einer bewegten Geschichte und der regionalen Vielfalt des Landes. Auch wenn sie heute nicht mehr im Alltag zu sehen sind, so lebt die Trachtentradition doch weiter, wie bei Festen, in Vereinen und in der Leidenschaft all derer, die diese Tradition bewahren möchten. So wird wohl auch noch in ferner Zukunft auf Schweizer Volksfesten und Trachtenfesten die bunte Vielfalt der Trachten zu bewundern sein.


Bundesebene
Alle Kantone

Weitere Beiträge zum Thema "Einblicke"

St. Gallen
Seit mehr als hundert Jahren eine treibende Kraft St. Gallens – Die Universität St. Gallen

Die Universität St. Gallen genießt auch über die Grenzen der Schweiz hinaus einen hervorragenden Ruf und wurde 2021 zum neunten Mal in Folge von der „

Weiterlesen

Bundesebene
Das Eidgenössische Schwingfest

Pratteln im Kanton Basel-Land, Ende August 2022. Zwei Monate lang wurde hier eine gigantische Zeltstadt auf einem Acker errichtet. Drei Tage lang Mens

Weiterlesen

Bundesebene
„Gang doch e chli der Aare naa… dere schöne, grüene Aare naa!“

2.2.22 - Gestern starb Andreas Flückiger, alias Endo Anaconda, Poet und Sänger der Schweizer Mundart-Band Stiller Has, viel zu früh und mehr oder weni

Weiterlesen

Weitere Beiträge →

Sie haben Kritik, Lob, Anregungen oder Fragen über die Schweiz? Wir freuen uns über Ihren Leserbrief: redaktion@swiss-finest.de


Unsere Specials
Feines, leckeres und kreatives

Nach oben