Raclette-Schule - Teil 1: Die drei Arten von Raclettekäse im Pfännchen

Veröffentlicht von René

Welcher Raclettekäse hat welche Eigenschaften im Pfännchen? - © René Buss

Seit vielen Jahrhunderten wird in der Schweiz Käse geschmolzen. Kein Wunder, dass den Schweizern das Raclette praktisch in die Wiege gelegt wird. Außerhalb der Schweiz gehört Raclette inzwischen zu den beliebtesten Essen zu Weihnachten und Silvester. Dort findet man dann auch in den Supermärkten eine mehr oder weniger große Auswahl an Raclettekäse. Wer einmal einen echten Schweizer Raclettekäse probiert hat, wird sicher nie wieder zu Imitaten aus dem Ausland oder gar Gouda greifen. Doch auch unter der Vielzahl an Schweizer Raclette-Sorten gibt es riesengroße Unterschiede. Jede hat ihren eigenen Charakter und dementsprechend auch ihre Besonderheiten, die am Raclettegrill unbedingt zu berücksichtigen sind. Im ersten Teil unserer kleinen Raclette-Schule nehmen wir diese Unterschiede und Eigenschaften im Pfännchengrill unter die Lupe. So gelingt das Raclette auf jeden Fall!

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Schweizer Raclettekäse: Aus Tradition unschlagbar!

Nirgendwo sonst in Europa sind die gesetzlichen Anforderungen an die Käseherstellung und Viehwirtschaft so hoch wie in der Schweiz. Viel Bewegung und gesunde Ernährung in der besonders geschützten Natur der Schweiz garantieren besten Geschmack der Milch. Um diese Milchqualität bei der Käseherstellung zu erhalten, dürfen keine Konservierungsstoffe, künstliche Rinden aus Kunststoff wie beim Gouda oder sonstige Zusatzstoffe wie Natamycin (E235) verwendet werden. Deshalb ist auch die Rinde beim Schweizer Raclettekäse nicht nur genießbar, sondern als geschmackvolle Delikatesse sogar unbedingt empfehlenswert.

Durch diese Bestimmungen ist die Käseproduktion in der Schweiz allerdings auch deutlich teurer als in der EU, wo die Produktion durch Zusatz- und Konservierungsstoffe um ein Vielfaches erleichtert, beschleunigt und vergünstigt wird. Dass Geschmack, Schmelzverhalten und sogar die Gesundheit darunter leiden können wird dabei in Kauf genommen. Vor allem sogenannter «Schmelzkäse» sollte gemieden werden. Er ist nicht nur völlig ungeeignet für das Raclette, sondern die darin enthaltenen Phosphate gelten als gesundheitlich bedenklich und erhöhen das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko.

So wie hier im Oberwallis, im Einzugsgebiet der Käserei Walker, sehen ideale Haltungsbedingungen für beste Milchqualität und besten Käse aus. - © René Buss

Ansprüche an den Raclettekäse: Cremig, knusprig, würzig, mild, fettarm?

Jeder hat wohl seine Vorstellungen vom perfekten Raclettekäse. Die einen mögen ihn lieber mild und extra knusprig, die anderen lieber würzig und cremig und auf gar keinen Fall will man ihn unappetitlich ausfetten sehen.

Aber von welchem Käse kann man denn nun die gewünschten Eigenschaften erwarten?

Grundsätzlich lässt sich Schweizer Raclettekäse in drei unterschiedliche Arten unterteilen, deren jeweilige Herstellungsweise maßgebend für Schmelzeigenschaften und Geschmack ist. Diese drei Arten stellen wir Ihnen im Pfännchengrill vor.

Drei Top-Vertreter jeder Raclette-Art - © René Buss
Den Stöckli «for4» OHNE Unterhitze (!!) auf volle Leistung eingestellt... - © René Buss
Ein Pfännli für den idealen Schmelzpunkt und eins, um diesen zu verpassen. - © René Buss

1. Rohmilch-Raclettekäse

Die Milch wird frisch gemolken zur Käserei geliefert und wird innerhalb von 24 Stunden direkt verarbeitet. Dadurch bleiben selbst die feinsten Naturaromen der Milch erhalten. Er gilt als die Königsklasse und ganz besondere Delikatesse.

Geschmack: Komplexe, pflanzliche und teils fruchtige Aromen, sehr ausgewogen. Milchiger Geschmack im Abgang.

Schmelzverhalten: Sehr cremig, zieht keine langen Fäden und bildet keine Kruste. Erhitzt man ihn zu lange oder mit zu wenig Hitze, dann fettet er stark aus, wird sehr zäh und verliert fast sämtlichen Geschmack. Volle Aufmerksamkeit ist gefragt, denn in weniger als einer Minute könnte er fertig sein. Nur wenige Sekunden zu lange im Pfännchen, und er trennt sich fast vollständig vom Fett.

Idealer Schmelzpunkt:© René Buss
Vorbildlich!© René Buss
Nur etwa 30 Sekunde zu lange im Pfännli:© René Buss
Portion ruiniert!© René Buss

Besonderheit: Als reines Naturprodukt ist sein Geschmack und seine Beschaffenheit von vielen Faktoren abhängig. Sogar das Wetter, die Vegetation der entsprechenden Region und die Jahreszeit haben großen Einfluss darauf. Ein Rohmilchraclette, der im Frühsommer produziert wurde, schmeckt etwas anders, als eine Käse, der im Herbst produziert wurde. Die Niederschlagsmengen und Jahreszeiten haben Einfluss auf die Vegetation. Junges nasses Gras im Frühjahr ist weniger aromatisch als reifes, trockenes Gras im Spätsommer. Das schmeckt man nicht nur in der Milch, sondern macht sich auch im Schmelzverhalten bemerkbar, denn die Proteinzusammensetzung der Milch wird vom Futter der Kühe beeinflusst. Diese saisonalen und regionalen Unterschiede sind also vergleichbar mit einem guten Wein, der mal einen guten Jahrgang hat und mal einen weniger guten. Ein junger Rohmilchraclette ist recht mild. Lässt man ihn ein paar Wochen vakuumiert im Kühlschrank nachreifen, gewinnt er deutlich an Geschmack. 

2. Raclettekäse aus pasteurisierter Milch

Um die Milch unkomplizierter verarbeiten zu können, wird sie beim Pasteurisieren für 15-30 Sekunden auf 72-80°C erhitzt. Dabei werden alle Keime abgetötet, die sich negativ auf die Reifung des Käses auswirken könnten. Leider gehen dabei auch viele Aromen verloren. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass der Käse mild sein muss. Das Pasteurisieren der Milch ermöglicht es der Käserei, einen Käse zu produzieren, der zu jeder Jahreszeit gleich schmeckt und garantiert gelingt. Somit ist die Produktion deutlich einfacher und günstiger, weshalb Raclettekäse aus pasteurisierter Milch auch am günstigsten und am längsten haltbar ist.

Geschmack: Deutlich milder und weniger ausgewogen als ein Rohmilch-Raclette.

Schmelzverhalten: Weniger cremig als ein Rohmilch-Raclette, zieht Fäden. Eine Krustenbildung ist eher unwahrscheinlich, bei einzelnen Sorten mit ausreichendem Alter und mit dem richtigen Gewürz als Hilfe aber möglich.

Idealer Schmelzpunkt:© René Buss
Pfännliform noch erkennbar, Falten verschmelzen nicht:© René Buss
Eine Minute zu lange im Pfännli:© René Buss
Sehr ausgefettet, weniger appetitlich, aber noch einigermaßen genießbar:© René Buss

Besonderheit: Dank der stabilien Produktionsqualität ist Raclettekäse aus pasteurisierter Milch sehr unkompliziert zu schmelzen. Bei zu geringer Hitze schmilzt er einfach nur langsamer. Erhitzt man ihn zu lange, fettet auch er aus, allerdings deutlich weniger als ein Rohmilch-Raclette. 

3. Raclettekäse aus thermisierter Milch

Um einen Kompromiss aus stabiler Qualität, geringeren Produktionskosten und möglichst geringem Aromenverlust zu erzielen, wird die Milch weniger stark und etwas kürzer erhitzt als beim Pasteurisieren. 57-68°C für 15 Sekunden reichen beim Thermisieren dazu aus. Dem Kompromiss entsprechend liegt sein Preis zwischen Rohmilch-Raclette und Raclettekäse aus pasteurisierter Milch.

Geschmack: Deutlich intensiver und ausgewogener als Raclettekäse aus pasteurisierter Milch, weniger ausgewogen, komplex und milchig als ein Rohmilch-Raclette.

Schmelzverhalten: Auch im Schmelzverhalten wird der Kompromiss zwischen Pasteurisierung und Rohmilch deutlich. Er schmilzt weniger cremig als ein Rohmilch-Raclette, aber etwas cremiger als ein Raclette aus pasteurisierter Milch. Auch er bildet keine Kruste und zieht keine langen Fäden. Etwas mehr Aufmerksamkeit ist allerdings auch hier gefragt. Ist der ideale Schmelzpunkt verpasst, neigt auch er zum Ausfetten.

Idealer Schmelzpunkt:© René Buss
Deutlich cremiger, Falten verschmelzen ebenfalls kaum:© René Buss
30 Sekunden zu lange im Pfännli, deutlich mehr Fett am Rand erkennbar:© René Buss
Fettet weniger stark aus als Rohmilch-Raclette, bleibt recht genießbar:© René Buss

Besonderheit: Wer die geschmacklichen Vorzüge und die besondere Cremigkeit eines Rohmilch-Raclettes liebt, aber aus gesundheitlichen Gründen darauf verzichten muss, der findet mit einem Raclettekäse aus thermisierter Milch eine ideale Kompromisslösung.


Fazit:

Ein Raclettekäse muss cremig schmelzen, möglichst wenig Fäden ziehen und bei seinem idealen Schmelzpunkt möglichst wenig Fett ausscheiden. Mit diesem Ziel produzieren die Schweizer Käsereien ihren Raclette. Diese Eigenschaften schließen allerdings auch aus, dass er im Pfännchen knusprig wird.

Der Geschmack eines Raclettekäses hängt vor allem von seiner Herstellungsart und von seinem Alter ab. Ein junger Käse von vier Monaten ist sehr fein, mild und geschmeidig. Lässt man ihn nachreifen, wird er immer intensiver. Lagert man ihn jedoch falsch, oder zu lange, dann entwickelt er einen sehr unangenehm beißenden Geruch und Geschmack von Ammoniak. Dann sollte er entsorgt werden. Ammoniak entsteht übrigens grundsätzlich bei der Käsereifung, wenn die Proteine abgebaut und dabei Aminosäuren freigesetzt und gespalten werden. Eine gelegentliche Kontrolle bei der Lagerung sollte also gemacht werden. Vakuumiert lässt er sich mit Abstand am längsten lagern. Auch einfrieren ist möglich, kann allerdings auch negative Auswirkungen auf die Schmelzeigenschaften haben.

Beim Rohmilch-Raclette ist absolute Aufmerksamkeit dem Käse beim Schmelzen zu widmen. Belohnt wird sie mit himmlisch gutem Geschmack und einzigartiger Cremigkeit.

Ein Raclette aus pasteurisierter Milch hingegen bietet eine günstige Alternative. Sie ist zwar weniger aromatisch und cremig, dafür deutlich einfacher in der Handhabung. Raclettekäse aus thermisierter Milch ist im Preis, Geschmack und Schmelzeigenschaften der ideale Kompromiss

Raclette im Pfännchen oder klassisch, vom halben Laib?

Ein halber Laib Raclettekäse unter einem klassischen Raclette-Ofen verhält sich natürlich völlig anders, als eine kleine, dünne Scheibe im Pfännchen. Diese Unterschiede, was es dabei zu beachten gibt und mit welchen einfachen Tipps und Tricks das klassische Raclette so unbeschwert und zauberhaft wie möglich wird, das erfahren sie hier demnächst im 2. Teil unserer Raclette-Schule.


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