60 Jahre Patrouille Suisse - «Ist das Kunst oder kann das weg?»

Veröffentlicht von René

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Mit tausend Stundenkilometern Geschwindigkeit in knapp 15m langen und 7 Tonnen schweren F5 Tiger Jets rasen die Piloten der Patrouille Suisse mit Abständen von 3 bis 5 Metern in waghalsigen Stunts nebeneinander her und teils sogar aneinander vorbei. «Maverick», gespielt von Tom Cruise im Film «Top Gun», wirkt dagegen wie ein kleiner Hänfling, der noch sehr viel lernen muss. Die weltberühmte Kunstflugstaffel mit Basis in Emmen (Luzern) ist seit 1964 das Paradestück der Schweizer Luftwaffe. Viele Generationen von Kindern und Erwachsenen hat sie nachhaltig beeindruckt und den Beruf des Piloten und Militärpiloten zum Traum Schweizer Knaben gemacht. Sogar ein Kindercomic der Schweizer Kult-Figur «Globi» lässt den blauen Vogel mit der Baskenmütze Pilot der Patrouille Suisse werden. Doch nun, kurz nach ihrem 60-jährigen Jubiläum, will die Politik das Ende der Kunstflugstaffel und damit auch das Ende eines der berühmtesten Schweizer Markenzeichen besiegeln.

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Eine Schweiz ohne Matterhorn?

Stellen Sie sich vor, das Matterhorn müsste einem Windpark weichen, Kühe würden aus Klimaschutzgründen aus der Schweiz verbannt oder Alphörner aus Lärmschutzgründen! Unvorstellbar traurig, oder? So ungefähr muss sich jetzt wohl ein großer Teil der Schweizer fühlen. Das große Problem dabei: Die Gründe für das Ende der Patrouille Suisse sind sachlich nachvollziehbar und der Widerstand dagegen zerbricht daran. Das Schweizer Militär wurde seit 30 Jahren mangels Bedarf an Verteidigung heruntergewirtschaftet und abgespeckt. Wirtschaft, Infrastruktur und Sozialpolitik benötigten das Geld dringender als das Eidgenössische Verteidigungsdepartement. Doch nun, in Zeiten von neuen Kriegen auf europäischem Boden und damit einhergehenden, möglichen militärischen Bedrohungslagen, benötigt die Armee dringend neue Ausrüstung, moderne Waffensysteme und vor allem viel Geld. Ein Blick in die Kassenbücher lässt die Nase rümpfen: 44 Millionen Schweizer Franken pro Jahr für eine Kunstflugstaffel, die alte Jets nutzt, die militärisch nicht mehr gebraucht werden und auch noch extrem teuer im Unterhalt sind - also 44 Millionen Franken für einen Knabentraum ohne militärischen Nutzen! Die alten F5 Jets kommen nur noch in der Patrouille Suisse zum Einsatz. In den Staffeln der Air Force wurden sie längst durch modernere F/A-18 Hornets ersetzt, die allmählich auch den neuen F35 weichen werden. Für den Kunstflug sind diese Maschinen jedoch ungeeignet. Wenn die Patrouille Suisse als «Aushängeschild der Schweiz» doch so unbedeutend sei, dass man sie einfach so abschaffen kann, warum wurde sie dann überhaupt erst aufgestellt?

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Als die Schweiz ihre Piloten zügeln musste

Im Zweiten Weltkrieg war die Schweizer Luftwaffe zur Modernisierung gezwungen. Um illegale Grenzüberflüge und mögliche Angriffe der Kriegsparteien auf die neutrale Schweiz abzuwehren, mussten moderne Flugzeuge her, die mit den technisch hochentwickelten deutschen und amerikanischen Maschinen mithalten konnten. Während die Schweiz noch teilweise mit einmotorigen Doppeldeckern flog, tüftelte Deutschland bereits an ersten Jets. In wenigen Jahren gelang es, die benötigten Jagdflugzeuge zu beschaffen und auch einzusetzen. Beschädigte Bomber der Alliierten wurden nach dem Grenzüberflug an sichere Landestellen eskortiert und beschlagnahmt, Jäger von deutscher und alliierter Seite wurden reihenweise vom Schweizer Himmel geschossen, ohne selbst Verluste zu zählen. Das Können der Schweizer Jagdpiloten ließ das ganze Land aufjubeln und wurde als gelungene Abschreckung der Kriegsparteien gefeiert. Erst als Hitler darüber außer sich vor Wut war und in Richtung Schweiz drohte, mäßigte man den Ton und zügelte die Piloten um die politisch ungeschickt hohen Abschussquoten zu reduzieren. Nach Kriegsende war die Luftwaffe der Stolz der ganzen Schweiz, die zur Unversehrtheit des Landes während des Krieges einen beachtlichen Teil beigetragen hatte.


Die Spontangeburt der Patrouille Suisse

Als in den 1950er Jahren der Kalte Krieg und das Wettrüsten zwischen dem Westen und der Sowjetunion die ganze Welt mit Atomwaffen bedrohte, beschwor man in der Schweiz die wohlgerühmte Luftwaffe mit ihrer abschreckenden Wirkung. Demonstrationsflüge sollten die Künste der Piloten mit den damals hochmodernen britischen Hawker Hunter Kampfjets unter Beweis stellen. 1964, zum 50-jährigen Jubiläum der Schweizer Luftwaffe, sollte ein solcher Formationsflug an der Landesausstellung in Lausanne vorgeführt werden. Weitere Jubliäumsshows folgten in der ganzen Schweiz, die das Publikum restlos begeisterten. Das inzwischen routinierte Pilotenteam benannte sich spontan nach dem französichen Pendant, der «Patrouille de France», und gründete die «Patrouille Suisse». Ihre Vorstellungen verhalfen der Schweizer Luftwaffe zu internationalem Ansehen und sogar dem Ruf, «die besten Piloten der Welt» zu haben. Neben Flugshows sollten auch Übungen von Starts und Landungen auf Autobahnen die Fähigkeit der Schweizer Piloten demonstrieren. Sieben lange, gerade Autobahnabschnitte wie die A6 bei Münsingen im Kanton Bern wurden extra zu diesem Zweck als Notlandepisten gebaut. Bei Bedarf können dort Leitplanken demontiert werden und Jets starten und landen. Im Juni 2024 wurde erstmals seit 1991 wieder eine solche Übung auf der A1 bei Payerne mit F/A-18 Hornets durchgeführt.

Patrouille Suisse mit Hawker Hunter
© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Rudolf Steiner
Patrouille Suisse mit Hawker Hunter - © Christof Berger 1991
© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Hans Krebs
© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Hans Krebs
© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Hans Krebs
© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Comet Photo AG (Zürich)

 

Militärisch bedingte Maschinenwechsel gab es bereits in der Vergangenheit

Bis heute sind die Piloten der Patrouille Suisse reguläre Staffelpiloten der Luftwaffe, die in der Kunstflugstaffel nur in 40% Teilzeit arbeiten. In anderen militärischen Kunstflugstaffeln der Welt sind Piloten hingegen zu 100% beschäftigt. Bis ins Jahr 1991 waren die Jets auch wie jedes andere Staffelflugzeug lackiert. Erst dann, zur 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft, wurden ihre unterseiten in Rot und Weiß mit Schweizerkreuz lackiert. Drei Jahre später stand die Patrouille Suisse erstmals vor einer ähnlichen Situation wie heute: 1994 wurde der Hawker Hunter Jet ausgemustert. Jedoch fiel damals der Umstieg auf neue Jets deutlich leichter. Die neuen F5 Tiger waren sogar viel besser geeignet als die alten Hunter. Sie bekamen zwar erstmals die bis heute typische Lackierung, werden aber neben dem Kunstflug auch im militärischen Dienst eingesetzt.

Patrouille Suisse und der letzte fliegende Hunter
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Maskottchen «Flatty»
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Flugshows in der Kritik und die ersten Zwischenfälle

Seit dem katastrophalen Crash bei einer Flugshow der italienischen Frecce Tricolori an der Air Base Ramstein im August 1988 wurde die Sinnhaftigkeit von Flugshows ständig debattiert und kritisiert. In Deutschland wurden bis ins Jahr 2000 militärische Flugshows nicht mehr durchgeführt und Formationen und Manöver, wie die Patrouille Suisse sie fliegt, bis 2012 sogar verboten. In der Schweiz wurde die Sicherheit zwar auch mitunter heiß diskutiert, die Fähigkeit der Piloten wurde jedoch nicht in Frage gestellt und der Kunstflug wurde unbeirrt fortgeführt, da es seit der Gründung der Patrouille Suisse im Jahr 1964 zu keinerlei Unfällen gekommen war.

Zwei Jahre nach dem 50 Jubiläum kam es im Juni 2016 zum ersten Unfall. Beim Training am Vortag einer Flugshow im niederländischen Leeuwarden touchierten sich zwei Jets bei der engen Formation «Diamant». Während eine der beiden Maschinen nur mit einem beschädigten Höhenleitwerk sicher landen konnte, stürzte die andere Maschine unkontrolliert in einen Weiher, direkt neben einem Gewächshaus. Der Pilot konnte jedoch rechtzeitig den Schleudersitz auslösen und verletzte sich nur leicht, als er mit seinem Fallschirm durch das Glasdach des Gewächshauses schlug. Erst Ende 2022 wurde er nach einem langen Prozess vom Militärgericht Aarau zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Anklage warf ihm «fahrlässigen Missbrauch und Verschleuderung von Material» vor, sowie «fahrlässige Störung des öffentlichen Verkehrs» und «mehrfache fahrlässige Nichtbefolgung von Dienstvorschriften». Er soll versäumt haben, per Funk den verlorenen Sichtkontakt zum Teamkollegen zu melden, wozu er mutmaßlich angesichts der Geschwindigkeit auch gar keine Zeit mehr hatte. Er erklärte, dass er sich den Unfallhergang nicht erklären können. Das Vertrauen der Armee in den Piloten war durch den Zwischenfall jedenfalls ungetrübt. Dank seiner Erfahrung und Kompetenz ist er seit 2020 inzwischen der Leader der Patrouille Suisse und Chef der Schweizer Luftverteidigung.

Im Mai 2021 stürzte ein Jet der Patrouille Suisse aus unbekannten Gründen bei Melchsee-Frutt (Obwalden) in den Berg. Der Pilot konnte sich per Schleudersitz retten. Da der Jet aber im Trainingseinsatz der Luftwaffe unterwegs war und nicht im Displayflugdienst, wird der Unfall nicht der Patrouille Suisse angerechnet.

Im Juni 2023 kam es zum nächsten Zwischenfall bei einem unbewilligten Trainingsflug für das Eidgenössische Jodlerfest über Baar im Kanton Zug. Erneut touchierten sich zwei Jets, wobei dem einen Jet die Nase abriss und an einem Firmengebäude einschlug. Eine Person im Gebäude wurde durch Glassplitter verletzt. Die Jets konnten alle sicher am Flugplatz Emmen (Luzern) landen.

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Mit Polemik und gebrochener Lanze zum Propellerstart?

Trotz solcher Zwischenfälle, die glücklicherweise nicht tödlich ausgingen und auch nicht auf grobe Pilotenfehler zurückzuführen sind, ist das Ansehen der Patrouille Suisse nach wie vor hoch. Auch wenn sie nicht gerade eine gute Eigenwerbung sind, spielen sie kaum eine Rolle in der Debatte um die Zukunft der beliebten Formation. Die Finanzfrage ist wohl das einzig ausschlaggebende Kriterium. Schon im Jahr 2013 wollte der damalige SVP-Bundesrat und Verteidigungsminister Ueli Maurer die F5 Tiger der Patrouille Suisse zum Jahr 2016 abschaffen. Für «Folklore» sei der Geldaufwand einfach zu hoch. Der von ihm angestrebte Einkauf von neuen schwedischen SAAB Gripen Jets kam jedoch nicht zum Abschluss. Auch Maurers Nachfolgerin, Viola Amherd (Die Mitte), will das Ende der Patrouille Suisse mit der Stillegung des F5 besiegeln. Eine «Visitenkarte für 44 Millionen Franken» sei zu teuer. Ihr Versuch von 2022 wurde zunächst vom Parlament verhindert, weil das Geld, das der hungrige «Tiger» verschlingt, gar «nicht so dringend» an anderer Stelle benötigt werde. Mit einem erneuten Versuch soll Ende 2027 der Betrieb nun endgültig eingestellt werden. Widerstand gegen das Vorhaben gibt es vor allem von konservativer Seite und vom Fanclub, der stolze 4000 Mitglieder zählt. Ob das gegen die Pläne von Bundesrat und Armee ausreichen wird, ist mehr als fraglich. Bei aller abschätzend anmutenden Polemik um teure «Visitenkarten», «Aushängeschilder» und «Folklore» klingen die Gegenargumente der Gegner der Stilllegung doch recht verzweifelt und schwach. «Ist das Kunst oder kann das weg?» scheint als rhetorische Frage das Motto der Debatte zu sein und jede Antwort, die für die «Kunst» eine Lanze brechen soll, wirkt - sachlich und unemotional betrachtet - unvernünftig. Für den Fall der Fälle schlägt immerhin Peter Merz, Kommandant der Luftwaffe vor, den Displaybetrieb mit Propellermaschinen fortzuführen. Ein Displayteam mit Pilatus PC-7 Maschinen ist allerdings bereits vorhanden und dürfte wohl kaum die spektakuläre Show der Jets übertreffen, oder?

Propellerlärm oder Zukunftsmusik?
PC-7 Displayteam
Patrouille Suisse und PC-7 Displayteam

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