Fête des Vignerons in Vevey - das größte Weinfest der Schweiz
Nur einen Katzensprung von Lausanne entfernt liegt das malerische Städtchen Vevey. Gepflasterten Gassen, Bauwerke aus alten Epochen sowie zahlreiche Denkmäler und Museen zieren das Stadtbild. Im Sommer erfüllt der Duft von frischen Schnittblumen und lokalen Leckereien die Luft. Der Genfersee als Kulisse macht das einzigartige Flair Veveys perfekt. Doch die wahre treibende Kraft des beschaulichen Ortes sind die Weinberge an den Hängen zum See. Über 3.700 Hektar Weinberge - also rund ein Viertel aller Weinberge der Schweiz - liegen im Kanton Waadt. Von diesen 3.700 Hektar liegen gerade einmal 11 Hektar an der Uferpromenade des kleinen Städtchens Vevey. Trotz des geringen Anteils an der waadtländischen Rebfläche ist Vevey in der Welt des Weins ein ganz besonderer Ort, denn hier findet nur alle 25 Jahre, einmal im Lebenszyklus eines Rebbaums, das Winzerfest statt. Die «Fête des Vignerons», das größte Weinfest der Schweiz im kleinen Städtchen Vevey auf 2,4 Quadratkilometern.
Das Fest zu Ehren der Winzer – Seit 1979
Fast vier Wochen lang ist Vevey die Pulsader des Waadtlands. Das Fest zu Ehren des Weines und der Winzer zieht tausende Gäste aus der ganzen Schweiz und dem Umland an. Organisiert wird das Volksfest von der Winzerzunft, der «confrérie des vignerons» und das schon seit 1797. Einige Jahre zuvor, im Jahr 1770, beschloss die Zunft, die aktive Verbesserung des Weinbaus zu fördern. Zudem sollte die gute Arbeit der Weinbauern löblich hervorgehoben werden. Sofern es die wirtschaftliche Lage erlaubte, wurde so also eine kleine Feier zu Ehren der besten Winzer ausgerichtet. Ebendieser Anlass war das, was sich wenige Jahre später zur «Fête des Vignerons» entwickelte. Das ländliche Fest und die Naturverbundenheit stießen bei der Stadtbevölkerung auf einen genauso großen Anklang wie bei der Landbevölkerung. So wurde Ende des 18. Jahrhunderts die erste Estrade aufgebaut und das erste Mal können Zuschauer von außerhalb der Landregion der Krönungszeremonie beiwohnen. Die Zeremonie wurde zu einem regelrechten Schauspiel. Der Festumzug und das Schauspiel wurden in die vier Jahreszeiten aufgeteilt. Während der gesamten Zeremonie werden die Gottheiten Ceres und Bacchus geehrt. Ceres (griechisch: Demeter) ist die Göttin der Fruchtbarkeit. Die Winzer schmeicheln der Göttin, um auch für die nächste Rebgeneration einen fruchtbaren Boden und eine ertragreiche Ernte zu haben. Bacchus (griechisch. Dionysos), ist der Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der Ekstase. Mit jeder Durchführung nahmen der Umfang und die Bedeutung des Winzerfestes immer weiter zu. Auch die künstlerische Darstellung der Parade wurde stetig ausgearbeitet. Das «Patchwork» aus kleineren Künstlern und Vereinen wurde im 19. Jahrhundert zunehmend durch erfahrene, begehrte Künstler ersetzt. Am Winzerfest Schausteller sein zu dürfen, war fortan eine große Ehre.



100 Millionen Franken, tausende Liter Wein und 60 Winzereien
Das regionale Winzerfest hat sich längst über seine ursprünglichen Grenzen hinaus entwickelt. Aus einem beschaulichen Fest für Weinbauern ist ein internationales Großereignis für Kenner und Genießer geworden. Mit einem Budget von 100 Millionen Franken organisieren die Veranstalter heute eines der größten Weinfeste der Welt und genau so wirkt es auch. Betritt man das sonst ruhige Städtchen während der Festtage, fühlt man sich wie in einer anderen Welt: Überdimensionale, leuchtende Weintrauben ziehen in farbenfrohen Paraden durch die Straßen, begleitet von mitreißender Musik, fantasievollen Kostümen und fröhlichen Menschen, denn natürlich fließt der Wein in Strömen. 60 lizenzierte Winzereien öffnen zu diesem Anlass ihre Türen. 2019 wurden über 500.000 Liter ausgeschenkt. Auch die öffentliche Infrastruktur muss sich den erwarteten Besuchermassen anpassen. So setzte die SBB 2019 während der gesamten Festdauer 1.000 Extrazüge ein und stattete 1.800 weitere Züge mit zusätzlichen Waggons aus.



Wie wird der König oder die Königin ermittelt?
Ein Höhepunkt des Winzerfests in Vevey ist zweifellos das große Schauspiel in der 14.000 Quadratmeter großen mobilen Arena mit Platz für 20.000 Zuschauer. Alle 5.500 Mitwirkenden in diesem Spektakel sind Ehrenamtler und Laien, welche sich aus Wertschätzung und Liebe zum Handwerk monatelang mit größter Mühe und voller Leidenschaft auf diesen besonderen Anlass vorbereiten. Poetisch und romantisch wird das Leben in den Weinbergen im Laufe eines Jahres erzählt und anschließend die fünf besten Winzerinnen und Winzer des Kantons Waadt ausgezeichnet. Krönender Abschluss: die Ernennung des Winzerkönigs oder der Winzerkönigin. Ein Titel von besonderem Gewicht, denn aufgrund der seltenen Austragung des Fests hält ein Winzer diesen Titel besonders lange. Doch wie lässt sich über einen so langen Zeitraum hinweg die beste Winzerleistung feststellen? Und warum ist die Winzerei eher ein Ausdauerlauf als ein Sprint?
Die Auswahl beginnt im Verborgenen, lange vor der Krönung. Die Nominierung des Auftragswinzers erfolgt durch den Besitzer des Weinguts. Danach beginnt ein aufwändiger Evaluationsprozess. Dreimal pro Jahr finden Kontrollbesuche in den Reben statt. Der erste davon im April, nach dem Rebschnitt, der Zweite Anfang Juni nach umfangreichen Pflegearbeiten an den Reben und der dritte und finale Kontrollbesuch Anfang September, kurz vor der Weinlese. Dabei wird jede Parzelle und jeder Rebstock sorgfältig begutachtet. Bewertet werden nicht nur die Qualität der Trauben, sondern auch Aspekte wie Nachhaltigkeit, Pflege der Reben und Engagement im Weinbau. Gewinnen wird, wer - wie die Winzer zu sagen pflegen - seinen Weinberg «verhätschelt».
Dieser Prozess zieht sich über rund 25 Jahre – eine Generation im Weinberg. Alle drei Jahre werden die gesammelten Ergebnisse zusammengeführt und die Winzer in einer sogenannten «Triennale» bewertet. Die Entscheidung ist dabei oft extrem knapp: Ein einziger Fehler, etwa in der Pflege oder im Ertrag, kann ausschlaggebend sein und einen Winzer um seine Platzierung bringen. So zeigt sich: Exzellenz im Weinbau ist keine Momentaufnahme, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Hingabe, Fachkenntnis und Beharrlichkeit.



Wie groß ist zu groß?
Das Fest wird Opfer seiner eigenen Größe. Die Kosten steigen von Mal zu Mal. Alleine das Errichten der Arena beansprucht 13 Millionen Schweizer Franken. 12 davon entfallen auf die Licht- und Tontechnik. Viele der Kosten sind schlecht kontrollierbar. Was dafür im Rahmen gehalten werden kann, sind die Personalkosten. Rund 10.000 Freiwillige tragen das Fest mit unermüdlichem Einsatz, doch längst können nicht alle Aufgaben ehrenamtlich geleistet werden. Die Suche nach Helfern wird zunehmend schwieriger. Dennoch ist klar: Ohne diese engagierten Menschen wäre das Fest undenkbar. Mit Leidenschaft, Körpereinsatz und mentaler Stärke stehen sie bereit, um das nur vier Mal pro Jahrhundert stattfindende Spektakel zu verwirklichen.
Finanziert wird das Mammutprojekt vor allem durch Sponsoren und Ticketverkäufe. Letztere übernehmen etwa ein Fünftel der Gesamtkosten. Um die restlichen Ausgaben zu decken, haben die Veranstalter zusätzliche Aufführungen in der Arena angesetzt. Die Preise beginnen bei 79 Franken und klettern je nach Sitzplatz auf über 350 Franken. Viel Geld? Vielleicht. Doch im Vergleich zu heutigen Konzerttickets durchaus gerechtfertigt, zumal das Erlebnis hier weit über eine bloße Show hinausgeht. Es lohnt sich also doch, vor allem als Weinliebhaber!