Stau am Gotthard und Raclette am Simplon - Welche Alternativen führen in den Süden?

Veröffentlicht von René

Die Strapazen des Abenteuers Alpenüberquerung

Ferienzeit ist Reisezeit. Während die Preise für Flugreisen immer weiter steigen, setzen immer mehr Familien auf das Auto oder die Bahn als bevorzugte Fortbewegungsmittel. «Ein Platz an der Sonne» ist schon seit den 1950er Jahren heißbegehrt, um den Sommer zu genießen. Besonders Italien und das Tessin gehören zu den beliebtesten Reisezielen bei Auto- und Bahnreisen. Das größte Hindernis auf diesem Weg in den Süden sind die Alpen. Bereits damals gingen Bilder von kilometerlangen Staus um die Welt, die durch überhitzte Motoren oder gar Unfälle an den steilen Alpenpässen wie dem Gotthardpass in der Schweiz oder dem Brennerpass, der von Österreich aus nach Italien führt, verursacht wurden. Inzwischen wurden sowohl Autos, als auch Züge sowie Verkehrswege ständig und auf Hochtouren modernisiert. Doch haben sich bis heute die Zustände der damals so beschwerlichen Reise über die Alpen auch tatsächlich dadurch gebessert? Führen wirklich so viele Wege nach Rom?

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Der Gotthard: Reiseromantik und Dauerdrama im Stau am Tunnel

Für Reisen in das Tessin und den Nordwesten Italiens ist der Gotthard das unvermeidbare Nadelöhr. Sobald man das Schweizer Radio empfängt wird man mit größter Wahrscheinlichkeit die Verkehrsmeldung hören: «Auf der Nord-Süd-Achse vor dem Gotthardtunnel zwölf Kilometer Stau ab Göschenen. Die Ausfahrt Airolo ist gesperrt.» Eine Alternative wird auch das Navigationsgerät nicht anzeigen. Sämtliche Umwege sind deutlich länger und trotz Stau am Gotthardtunnel meist nicht schneller. Er ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst mit einer langen und bewegten Geschichte. Mit knapp 17 Kilometern Länge ist er der viertlängste Straßentunnel der Welt.

Wie schon in den 50er Jahren sind Unfälle und Pannen häufige Ursachen für Staus am Gotthard. Bei Überlastung des Straßentunnels verursachen lästige Blockabfertigungen den Stau. Doch lieber im Stau vor dem Tunnel warten und dann entspannt durchfahren, als im Tunnel im Stau zu stehen, was die Arbeit der Rettungskräfte im Notfall erschweren würde. Immerhin muss man die Wartezeit heute nicht mehr bei sengender Hitze mit der ganzen Familie plus übelriechendem Schäferhund in einem kleinen VW Käfer verbringen sondern profitiert von den Vorzügen eines geräumigen und vor allem klimatiserten Familienwagens. Schwindende Geduld und gegebenenfalls der weite Weg zur nächsten Toilette sind wohl die einzigen Unannehmlichkeiten.

Einfahrt zum Gotthardtunnel - © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Den Sommer in vollen Zügen genießen

Einige Kilometer weiter östlich des Straßentunnels führt der 57 Kilometer lange Gotthardbasistunnel Züge von Erstfeld (Uri) nach Bodio (Tessin) und zurück. Damit ist er der längste Eisenbahntunnel der Welt. Auch der Gotthardbasistunnel wird stark beansprucht. Durch die Entgleisung eines Güterzuges im September 2023 wurde der Tunnel so stark beschädigt, dass die Reparaturarbeiten ein Jahr lang dauern und er lange Zeit gesperrt war. Durch die weiträumige Umleitung der Züge über die Gotthard-Bergstrecke betrug der Zeitverslust für Pendler und Reisende im Durchschnitt zwei Stunden. Wenn ein Weg in den Süden ausfällt, sind in der Regel auch die wenigen Alternativen schnell überlastet.

Gotthardbasistunnel - © Kecko / CC BY 2.0
Bergstrecke durch die Schöllenenschlucht


Wie Gotthardtunnel und Basistunnel gemieden werden können:

1. Der Gotthardpass
Vor dem Bau des Gotthardtunnels war der Gotthardpass über Jahrtausende der wichtigste Weg über die Alpen. Mit etwas Glück ist heute die Passstraße geöffnet und man kann bei atemberaubender Aussicht über das imposante Gotthardmassiv den Stau umfahren. Er verbindet Andermatt in Uri mit Airolo im Tessin. Mit einer Höhe von 2107 Metern ist dort allerdings mit einer frühen Schneesperre im Herbst bis in den Juni hinein zu rechnen. Für LKW, Reisemobile und Autos mit Anhängern ist die kurvige und teils steile Strecke nicht zu empfehlen.

Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht
Gotthardpass


2. San-Bernardino-Pass und Tunnel
Aus Richtung Allgäu, Liechtenstein und Graubünden führt der San-Bernardino-Pass vom Misox ins Tessin. Wie auch am Gotthard ist hier ein schnellerer Tunnel und eine Passstraße mit herrlicher Aussicht nutzbar. Staus sind allerdings auch hier ein häufiges Thema. Immerhin gilt die Wintersperre am San-Bernardino nur von Dezember bis April.

Misox
San-Bernardino-Pass - © ticino.ch


3. Simplonpass und Tunnel

Der wichtigste Weg aus dem Wallis nach Italien ist der Simplon. Viele Pendler nutzen täglich Passstraße und Bahntunnel, um von Brig nach Domodossola im Piemont zu gelangen, oder einfach um günstig einzukaufen. Dieser uralte Handelsweg verhalf der Stadt Brig schon im Mittelalter zu großem Wohlstand. Der Vatikan bezog über den Simplon seit Jahrhunderten seine besonders kräftigen und robusten Söldner aus dem Wallis für die weltberühmte Schweizergarde des Papstes. Zur Straße ausgebaut wurde der Simplonpass schließlich von Napoleon. Die Landschaft und Aussicht am Simplon sind nicht weniger beeindruckend als am Gotthard. Wer denn Pass überquert sollte unbedingt den Raclette aus Simplon-Dorf verköstigen!

Armeedenkmal am Simplonpass: der 8m hohe Simplonadler
Autoverlad Simplon - © zermatt.ch


(Wo wollten wir noch gleich hin? Achja, nach Italien!)
Wintersperre hat der Simplonpass nur selten bei Schneemassen, die keine Schneefräse bändigen kann. Der schnellere Eisenbahntunnel wird wie auch der berühmte Lötschbergtunnel per Autoverlad betrieben. Via Simplontunnel verläuft auch die Bahnlinie der SBB und BLS von Basel über Bern, Brig und Domodossola nach Mailand. Diese Reise mit der Bahn ist häufig eine günstige Alternative zum Auto außerhalb der Ferienzeiten.

Viele Wege führen nach Rom, doch nur wenige über oder durch die Alpen. Völlig unbeschwerlich ist keiner dieser Wege, aber mit großer Sicherheit sind die Schweizer Alpenpässe, Tunnels und Autoverlade ein Abenteuer und somit immer eine Reise wert. Ist das Flugzeug eine Alternative? Mit dem Weg zum Flughafen, langen Wartezeiten am Check-in, Gepäckaufgabe, Sicherheitskontrolle und am Gate, eventuell verspätetem Start und nochmals langer Wartezeit an Gepäckausgabe und der Weiterfahrt zum Zielort ist das Fliegen nicht unbedingt schneller und schon gar nicht stressfreier. Außerdem würde man so einiges an wunderschöner Landschaft verpassen, das man im Flugzeug bestenfalls bei klarer Sicht aus großer Distanz winzig klein für ein paar Sekunden erhaschen könnte - vorausgesetzt man hat einen Fensterplatz auf der richtigen Seite.


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