Strafe muss sein! - Warum man das Brot im Fondue nicht verlieren sollte

Veröffentlicht von René

Jetzt bloß nicht das Brot in den Käse fallen lassen! - © René Buss


In der Schweiz ist bekanntlich alles streng reglementiert.
Das muss in einer direkten Demokratie so sein. Ständig gibt es irgendeine Volksabstimmung zu neuen Gesetzen oder eine Gemeindeversammlung, die zu entscheiden hat, ob der Clausen Ueli das Vordach seines Hühnerstalls um einen halben Meter verlängern darf, damit seine Hühner mehr Schatten haben, wogegen dessen Nachbar, der Mathis Hansruedi, allerdings bei der Gemeinde Beschwerde eingereicht hat, weil durch die Vergrößerung der Dachfläche des Hühnerstalls seine Geranien ebenfalls im Schatten stünden. So ist das in einer direkten Demokratie. Wie wichtig aber diese Demokratie ist, veranschaulicht das berühmteste Schweizer Nationalgericht: Fondue! (Anm. d. Red.: Damit ist automatisch ein Käsefondue gemeint.) Ein Fondue ist ohne Regeln und deren disziplinierte Einhaltung zum Scheitern verurteilt.

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§1 Sobald das Fondue serviert wird, muss der erste Teilnehmer am Tisch umgehend sein Stück Brot darin eintauchen und rühren, damit der Käse nicht anbrennt und der Geschmack ruiniert ist. Währenddessen ist genug Zeit, um sich gegenseitig «en Guete» zu wünschen.

§2 Vor dem Essen noch höflich zu warten, ob auch alle parat sind, dazu ist einfach keine Zeit. Für ein Tischgebet erst recht nicht. Auf Teilnehmer, die aus "geschäftlichen" Gründen die Fonduegemeinschaft kurzzeitig verlassen müssen, kann keine Rücksicht genommen werden. Während seiner Abwesenheit, wird er einfach in der Reihenfolge ausgelassen und muss akzeptieren, dass nach seiner Rückkehr von der Verrichtung seines "Geschäfts" der Käsepegel im Caquelon bereits deutlich gesunken ist und er weniger essen kann, als die anderen Teilnehmer.

§3 Man muss in einer "8"-Bewegung über den Boden rühren, damit der Käse nicht anbrennt und der Geschmack ruiniert ist.

§4 Sobald er sein Stück Brot wieder heraushebt, muss der nächste Teilnehmer sein Stück Brot eintauchen und eine "8" rühren. Nach ihm der nächste Teilnehmer und so weiter. Auf diese Weise bleibt der Käse immer schön in Bewegung und cremig, ohne sich abzusetzen, am Boden des Caquelons anzubrennen und den Geschmack zu ruinieren.

§5 Sollte doch mal eine kleine Rührpause entstehen, brennt der Käse am Boden an und bildet die "Großmutter". Viele lieben diese Käsekruste. Löst man sie vom Boden während noch flüssiger Käse im Caquelon ist, so kontaminiert die angebrannte Unterseite der «Grosi» das Fondue und der Geschmack ist ruiniert. Am Ende, wenn alles aufgegessen ist, darf man sie gerne essen, oder sogar mit einem Ei verrühren.

Eine solche Rührpause entsteht zum Beispiel dadurch, dass ein undisziplinierter Mitesser sein Stück Brot nicht ordnungsgemäß an seiner Gabel angebracht und es im Fondue verloren hat. Damit gefährdet er den Genuss seiner Fonduegemeinschaft, wenn man die Gefahr des ruinierten Geschmacks durch Anbrennen bedenkt. Um das sorgfältige Anbringen des Brotstücks an der Gabel den Teilnehmern in Erinnerung zu rufen, muss vor dem Servieren des Fondues in demokratischer Abstimmung eine Strafe für das Verlieren des Brotes im Käse festgelegt werden, die sofort nach dem Begehen der Straftat vom Täter auszuführen ist. Logischerweise fallen die beschlossenen Strafen deutlich härter aus, wenn die Mehrheit der Fonduegemeinschaft in der Anbringung des Brotes an der Gabel geübt ist und dessen Verlust nicht ernsthaft zu fürchten hat. So werden die Strafen zur allgemeinen Belustigung der Gemeinschaft instrumentalisiert und die notwendige Disziplin wird mit verspielter Gelassenheit zum Spaßfaktor.

«Fondue isch guet u git e gueti Luune!» ...sagt man.

So manches Fondue kann auf diese Weise völlig aus dem Ruder laufen und noch Jahre später in heiterer Erinnerung bleiben. Schadenfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Manche versuchen gar, anderen Fonduegenossen eine Strafe zu verschaffen, indem sie schon gleichzeitig im Fondue rühren und ihnen dabei das Brot von der Gabel schieben. Dieses Verhalten ist natürlich auf das Schärfste zu verurteilen, oder? Häufig beinhalten die Strafen einen zusatzlichen Alkoholkonsum. Das zeigt neben dem Wein und Kirschwasser im Fondue und dem Wein, den man dazu schon trinkt die schnellste und nachhaltigste Wirkung.

So fiel im Jahre 2005 ein junger Student in Potsdam einem zünftigen Fondue zum Opfer. Polizisten fanden ihn "entspannt dösend" hinter dem Steuer seines Wagens vor. Auf dem Beifahrersitz saß ein Freund, der sich bereits im Tiefschlaf befand. Per Blutprobe stellte die Polizei 1,54 Promille beim jungen Fahrer fest und schrieb eine Anzeige wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverehr. Bei der Gerichtsverhändlung erklärte er zutiefst Beschämt und reumütig, dass er einen befreundeten Schweizer besucht habe, der zum Fondue eingeladen hatte. Aus seinem Vorsatz, "höchstens ein Glas Wein" zu trinken, wurde nichts. Sämtlicher Sinne beraubt, stieg der junge Student in sein Auto und fuhr "mit unangepasster Geschwindigkeit und laut aufheulendem Motor" los. Daran konnte er sich verständlicherweise vor Gericht nicht mehr Erinnern. Sein größtes Problem war allerdings nicht der einjährige Führerscheinentzug, sondern die drohende Geldstrafe. Als angehender Jurist war er auf ein sauberes Führungszeugnis angewiesen. Die Richterin zeigte Erbarmen mit dem vom Fondue gezeichneten Jurastudenten und ordnete eine geringe Geldstrafe an, die bei Abschluss seines Studiums verjährt und aus dem Führungszeugnis ausgetragen war. Voraussetzung dafür war allerdings, dass er sich fortan nichts mehr zu Schulden kommen ließ.

Der Konsequenzen übermäßigen Alkoholkonsums sollte sich eine Fonduegemeinschaft also stets bewusst sein. Eine alkoholhaltige Strafe kann schwerwiegende Folgen haben und somit in Ihrer Härte über das Ziel hinausschießen. Auch alkoholfreie Strafen sollten angemessen und maßvoll ausfallen. Ein unangemessenes Strafmaß beim Fondue konnte vor über 2000 Jahren schon Asterix, der berühmte gallische Krieger, bezeugen, als er die Stadt Geneva (heute Genf) in der römischen Provinz Helvetien besuchte. Im Genfersee fand er einen Römer vor, der zuvor einer Fondue-Orgie des Statthalters Feistus Raclettus beiwohnte. Wer dort sein Brot im Fondue-Kessel verlor, wurde zunächst mit fünf Stockhieben und bei erneutem Brotverlust mit zwanzig Peitschenhieben bestraft. Beim dritten Brotverlust wurde der Römer mit Gewichten an den Füßen in den See geworfen. Ein Glück, dass sich die Zeiten geändert haben und das Strafmaß gemildert hat.


9 Ideen für "angemessene Strafen" beim Fondue

Im Folgenden stellen wir exemplarisch ein paar gängige Strafen für den Brotverlust im Fondue vor, die zur kreativen Findung eigener Strafen anregen sollen. Bei einer Mehrheit aus ungeübten Fondue-Essern schlagen wir zur Milderung die "drei-Sekunden-Regel" vor, die dem Tollpatsch die Möglichkeit einräumt, seiner Strafe zu entgehen, indem er es schafft, sein Stück Brot binnen drei Sekunden aus dem Caquelon zu bergen. Während der Ausführung der Strafe müssen die übrigen Teilnehmer weiteressen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass andere auch ihr Brot verlieren, weil sie Lachen müssen.

Wer sein Brot im Fondue verliert, der...

1. ...muss ein Lied singen. Vorzugsweise ein bekanntes (Schweizer) Volkslied. Jodel sind darin sehr willkommen. Bei wiederholtem Brotverlust: Das stück Brot herausfischen und in den Mund legen. Damit erneut singen.

2. ...muss einen Witz erzählen.

3. ...macht nach dem Essen den Abwasch. Wenn auch andere straffällig werden, müssen diese ihm helfen.

4. ...muss ein mal um den Tisch rennen. Bei wiederholtem Verlust ein mal um das Haus (bei Reihenhäusern entsprechend um den ganzen Block). Gutes Wetter ist zwar wünschenswert, aber nicht zwingend nötig. Bei drittem Verlust muss man 50 Liegestütz machen. Zu diesem Zeitpunkt wird der Magen bereits gut gefüllt sein und der Alkoholpegel leicht erhöht, was die Liegestütz erschweren könnte.

5. ...muss einen Schnaps trinken und eine beliebige Person am Tisch auffordern, auch einen zu trinken.

6. ...muss eine Runde Schnaps bezahlen, die sofort serviert wird. Diese Kollektivstrafe hat besonders schwere Folgen, wenn viele Anfänger teilnehmen und entsprechend viele Brote verloren werden.

7. ...darf nur noch einhändig essen. Rechtshänder mit der linken, Linkshänder mit der Rechten Hand. Das erhöht die Wiederholungsgefahr. Für diesen Fall muss eine neue Strafe im Voraus festgelegt worden sein.

8. ...eine ganze Knoblauchzehe anstelle eines Brotstückes in den Käse tauchen und essen. Etwaige Anbändelungsbemühungen mit einer anderen Person am Tisch dürften damit für den Straftäter beendet sein.

9. ...ein Glas eiskalte Cola trinken. Das passt ganz und gar nicht zum Käsegeschmack und lässt unangenehm den Käse im Magen verklumpen. Diese Strafe wär fast schon als Folter einzustufen.

Haben Sie auch lustige Strafen beim Fondue, die hier noch nicht aufgelistet sind? Lassen Sie uns an Ihrer Schadenfreude teilhaben und teilen Sie uns Ihre originellen Strafen mit! Wir freuen uns über Ihren Leserbrief: redaktion@swiss-finest.de


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