Schweizer Militär-Fondue – Käse für 1100 Personen (mit Rezept)

Veröffentlicht von René

Käsespeisen waren schon immer die beliebtesten «MuMa» (Muntermacher) im Schweizer Militär.
Seit Jahrhunderten köchelten die französischsprachigen Alpenregionen bereits ihr köstliches Käse-Süppli, doch den berüchtigten Röstigraben zwischen Romandie und Deutschschweiz konnte das Fondue erst in den 1950er-Jahren überqueren. Es waren nicht - wie beispielsweise bei den Älplermagronen - etwa Gastarbeiter, Kaufleute oder Völkerwanderungen, die das Fondue auch in den übrigen Kantonen der Schweiz bekannt machten, sondern die Schweizer Armee. Die berühmte Käsemischung «Moitié-Moitié» war damals noch völlig unbekannt. Mit welchen Rezepten wurde das heutige Nationalgericht bekannt und wie entwickelten sie sich im Laufe der Zeit? Wenn Sie ein Fondue für (sehr) viele Personen zubereiten wollen, oder einfach ein Bad im Käse lieben, dann gilt jetzt das Kommando: «Stillgestanden!» Wer die Rezepte auch daheim nachkochen möchte, benötigt einen entsprechend großen Kessel, oder rechnet sich die Mengenangaben pfiffig auf die gewünschte Personenanzahl um.


«Für den Soldaten ist Fondue ‹guet und git e gueti Luune›.»

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Als neutraler Staat hatte die Schweiz das große Glück, in beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts weitestgehend verschont zu bleiben. Die Generalmobilisierungen zur Grenzsicherung hatten jedoch zur Folge, dass viele Arbeitskräfte ausfielen. Die Verpflegung der Armee belastete zusätzlich die Staatskasse und der Exportmarkt in den kriegsgebeutelten Nachbarländern fiel praktisch aus. Besonders die milchproduzierenden Betriebe der Schweiz litten unter dem enormen Umsatzausfall und fehlender Erfahrung im Marketing. Zu diesem Zweck gründete sich 1914, kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die «Schweizerische Käseunion» (SKU), um den Vertrieb auf den Binnenmarkt zu fokussieren. Hauptsächlich die verbreiteten Käsesorten Gruyère, Emmentaler und Sbrinz wurden von ihr vermarktet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Kriegschaden in den Nachbarländern noch deutlich gravierender. Im Gegensatz zu ihnen profitierte die neutrale Schweiz nicht direkt von den Finanzhilfen des «Marshall-Plans». Erst das «Wirtschaftswunder» der 1950er brachte wieder mehr Sicherheit in die Kassen der Unternehmen. Diese Phase nutzte die SKU geschickt, um dem größtmöglichen Kunden, möglichst viel Gruyère und Emmentaler als wärmendes Fondue im Kalten Krieg anzubieten: dem damals rund 880.000 Mann starken Schweizer Militär.

Auf dem Velo in den 1960ern: Wer ein Fondue hatte, braucht keine Gangschaltung!  - © ETH-BildarchivDie Armeeführung war von dem Angebot begeistert. Das Fondue vertritt nicht nur eine alte Tradition der Westschweiz, sondern fördert als offizielles Essen der Armee auch den Schweizer Käse als Marke und ist in den Küchen besonders einfach und kostengünstig zuzubereiten. Für die Militärküchen zählte die Schweizerische Käseunion in ihrer Publikation praktische Vorteile auf, welche die Armeeführung überzeugten:

«Für den Soldaten ist Fondue ‹guet und git e gueti Luune›.
Für den Küchenchef ist die Zubereitung nach gründlicher Durchsicht der Anleitung der Schweizerischen Käseunion einfach und auch sicher. Dem Fourier wird es leicht gemacht, indem für seinen Truppenbestand die Caquelons, Fonduerechauds und Gabeln kostenlos durch die Schweizerische Käseunion [...] zur Verfügung gestellt werden.»

Für das Rezept wurde allerdings gleich klargestellt:

«Die Zugabe von Kirsch für das Fondue ist nicht unbedingt erforderlich, doch sehr zu empfehlen.
Kirsch kann nicht zu Lasten der Dienst- oder Truppenkasse verrechnet und muss von der Mannschaft übernommen werden.»

Ein wenig «gueti Luune» kann beim Militär - wie hier in der Artilleriefestung Naters VS - sicher nicht schaden.
Eingang - © René Buss
Küche - © René Buss
Speisesaal - © René Buss


Aus der Kaserne an den heimischen Herd

Fortan wurde in den zahlreichen Kasernen und Festungen der Schweiz zur großen Freude der Soldaten Fondue gemacht. Weil es auch noch so einfach zuzubereiten war, stellten sich viele Männer zu Hause ganz stolz selbst an den Herd und kochten es für Familie und Freunde. So galt das Fondue viele Jahre als «Männersache». Endlich ein Gericht, das auch der Mann kochen kann!

Wahrscheinlich ist sogar die Verbreitung per Militär die Herkunft der lustigen Strafen für das Verlieren des Brotwürfels im Käse. Schließlich ist der Humor unter den AdA («Angehörigen der Armee») das beliebteste Mittel gegen Langeweile und ihr Einfallsreichtum enorm. Irgendwann reichte es wohl nicht mehr, durch den Brotverlust als DAdA («dümmster Angehöriger der Armee») verspottet zu werden.

Wer das Fondue daheim nachkochen wollte, musste die Mengenangaben im Rezept zunächst umrechnen. Vielleicht wollen Sie sich auch einmal daran versuchen? Bei der Militär-Käseschnitte hat es schließlich auch gut funktioniert. Wenn Sie das Fondue tatsächlich für solch große Gesellschaften zubereiten wollen, benötigen Sie entsprechend leistungsstarke Küchengeräte, oder genügend Personen, die Sie zum KD («Küchendienst») detachieren («abkommandieren») können und Aufgaben wie das Käseraffeln (zum Kommando: «Auf! Ab! Auf! Ab!...»), Knoblauchhacken und Brotschneiden übernehmen.

Übrigens:
Das Fondue war bei der Schweizer Armee so beliebt, dass es manchmal auch serviert wurde, wenn die Küche keine Caquelons, Rechauds und Gabeln organisieren konnte. Auch die Feldküchen trugen damit gelegentlich zur Steigerung der Truppenmoral bei lästigen Gefechtsübungen bei. So bekam einfach jeder Soldat eine Kelle Fondue in seine Gamelle gegossen, die er am Lagerfeuer oder einem Notkocher behelfsmäßig erwärmen konnte. Unter freiem Himmel nach einem langen Marsch schmeckt es doch immer am besten! Das funktioniert natürlich auch in Zivil bei einer Wanderung oder unterwegs in der Bahn mit einem Snack-Fondue hervorragend.

 


1. Schweizer Militär-Fondue: Rezept 1960 - Das erste Fondue, das die Schweiz lieben lernte

Im von der Schweizerischen Käseunion vorgestellten Rezept für die Armee wurden die Mengenangaben «für 100 Mann» kalkuliert. Somit werden 20 Caquelons und Rechauds benötigt. «Bruchfestes Geschirr» wird empfohlen.

10l Weißwein 
20 gehackte Knoblauchzehen
15kg Gruyère
5kg Emmentaler
20g Pfeffer
5g Muskat
500g Maizena in 1l kaltem Wasser gelöst
1l Kirsch
15kg Brot


2. Schweizer Militär-Fondue: Rezept 1970 - Eine verschäfte Bedrohungslage erfordert mehr Fondue

Schon 1961 wurde die Schweizer Armee als Reaktion auf den Kalten Krieg grundlegen reformiert und modernisiert. Bis 1969 wurde die Reform «Armee 61» seit der Kuba-Krise noch über 60 mal angepasst. Die Truppenstärken in den Unterünften wuchsen so um ein Vielfaches an. Dementsprechend wurde das Rezept für das Fondue im Küchenreglement auch für 1100 Personen kalkuliert. Folglich werden für diese Menge 220 Caquelons und Rechauds benötigt. Dank der Modernisierung übernehmen fortan Küchenmaschinen das Käseraffeln. Die 160 Flaschen Weißwein müssen jedoch weiterhin manuell entkorkt und die 50-60 Zitronen manuell ausgepresst werden. Emmentaler ist im Rezept nicht mehr vorgesehen. Ausschließlich Gruyère wird verwendet. Ob sich jemals ein Küchenchef aus der Westschweiz exakt an dieses Rezept hielt, ist anzuzweifeln.

120l Weißwein 
240 gehackte Knoblauchzehen
240kg Gruyère
240g Pfeffer
60g Muskat
3l Zitronensaft
4kg Maizena
12l Kirsch
250kg Brot


3. Schweizer Militär-Fondue: Rezept 2018 - «Moitié-Moitié» für alle!

Im Jahr 1999 wurde die Schweizer Käseunion aufgelöst. Das Gruyère-Monopol wurde revidiert und die Bedürfnisse des Armeepersonals zeitgemäß im «Reglement 60.006 d» berücksichtigt. Wenn es schon an «Work-Life-Balance» militärüblich mangelt, dann muss zumindest die Käsemischung ausbalanciert sein. Über die Jahrzehnte setzte sich das «Moitié-Moitié» (halb Gruyère - halb Vacherin) schließlich bei der Mehrheit der AdA durch, aber auch regionale Vorlieben werden nun berücksichtigt und entsprechend zu substituierende Käsemischungen an das Rezept angehängt. So kann jeder «Chuchitiger» («Küchenchef») selbst entscheiden, womit er die Mannschaft beglückt. Die Mengen werden wieder für 100 Personen kalkuliert. Dank Modernisierung und weiteren Reformen kann sie nun jeder mittels Dreisatz auf die benötigte Personenzahl umrechnen. Der Wein kommt nun im praktischen Bag-in-Box-Format, das sich bequem mit einem Messerhieb über dem Kochkessel aufschlitzen und entleeren lässt. Das Pressen von Zitronen wurde lästig und wegen Überflüssigkeit aus dem Rezept gestrichen. Auch Zutaten mit Aggregatzustand «flüssig» werden jetzt vereinheitlicht in Kilogramm bemessen.

11kg Weißwein
0,200kg Knoblauch
11kg Gruyère
11kg Vacherin Fribourgeoise
0,200kg Wasser
0,400kg Maisstärke
0,400kg Kirsch
20kg Ruchbrot

alternative Käsemischungen:
Fondue Militär: 17kg Greyerzer und 5kg Emmentaler
Ostschweizer Fondue: 12kg Appenzeller, 5kg Tilsiter rot und 5kg Emmentaler
Berner Fondue: 11kg Emmentaler und 11kg Greyerzer
Walliser Fondue: 12kg Raclette Käse, 5kg Greyerzer und 5kg Freiburger Vacherin
Tomaten Fondue: dem fertigen Walliser Fondue 1,6kg Tomatenextrakt beigeben.
Pilz Fondue: dem fertigen Walliser Fondue 2kg gedämpfte Champignons beigeben.

Anmerkung:
Zusätzlich zum Brot können auch kleine, gekochte Raclette Kartoffeln serviert werden.

Fondue in der Kat Hi Kp («Katastrophenhilfe Bereitschaftskompanie») in Bonaduz GR
© TikTok/@genierettungabc
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