Reiseratgeber Schweiz - Grober Unfug und andere teure Fettnäpfli
Bereist man ein anderes Land, sollte man nicht nur daran denken, seinen Koffer vollständig zu packen. Sich mit den jeweiligen Gepflogenheiten im Voraus vertraut zu machen, erspart nicht nur teuren Rechtsbeistand, sondern auch eine Menge Ärger. Dass man besonders Verkehrsregeln in der Schweiz kennen und vor allem auch beachten sollte, ist allgemein bekannt. Für 1 Km/h Geschwindigkeitsüberschreitung wird man innerorts schon mit 40 CHF berappt. Auf der Autobahn wären es immerhin nur 20 CHF. Fährt man innerorts allerdings 11 Km/h zu schnell, wird man schon um 250 CHF erleichtert. Man kann sich bereits denken: Blitzer in der Schweiz sind sehr lukrativ, und deshalb kommt der nächste Blitzer auch mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit.
Doch denken Sie ja nicht, mit dem Auswendiglernen des Bussgeldkataloges für Verkehrsdelikte sei man bereits auf der sicheren Seite! In der Schweiz ist bekanntlich ALLES präzis reglementiert und von Kanton zu Kanton ist das auch noch unterschiedlich. Zu den rund 5000 Gesetzen und Verordnungen auf Bundesebene kommen nämlich auch noch rund 17.000 auf Kantonalebenen. Ach ja, einzelne Gemeinden kochen auch noch ihre eigenen Süppli. Die Fettnäpfli sind also gründlich verstreut und lauern an den undenkbarsten Stellen. Das sollte man in den folgenden Situationen bedenken, wenn die Urlaubskasse knapp ist:
§1 - Kurz vor Erreichen des Reiseziels muss der quängelnde Kleine auf dem Rücksitz mal ganz dringend. Sie fahren genervt die nächste Raststätte an, eilen zur Toilette und wieder zurück zum Auto, doch da steht bereits eine uniformierte Amtsperson: "Sie haben Ihren Schlüssel im Fahrzüg stecken lassen. Ich muss Ihnen eine Busse schreiben. Das kostet 60 Franken."
§2 - In der Heimat haben sich weder Familienangehörige noch Freunde dazu bereit erklärt, das Meerschweinchen ihres Sprösslings während Ihres Urlaubes zu pflegen. Eine Tierpension ist Ihnen zu teuer. Zur Freude des Kindes entschließen Sie sich, den kleinen Nager einfach mit in die Schweiz zu nehmen. Günstiger wäre die Tierpension. Anderenfalls könnten Sie mit bis zu 20.000 CHF gebüsst werden, denn Meerschweinchen dürfen in der Schweiz nicht einzeln gehalten werden. Dasselbe gilt auch für Mäuse, Wellensittiche und sogar Goldfische.
§3 - Beim Wandern im Kanton Zug entdecken Sie plötzlich zwei Auerhühner im Wald. Fasziniert beobachten Sie die beiden und stellen fest, dass eins der beiden ein Hahn sein muss. Schauen sie sofort weg! Das bewusste Beobachten von Raufusshühnern (dazu zählt das Auerhuhn) bei der Balz ist im Kanton Zug strengstens verboten.
§4 - Sie haben in Basel in einer Tiefgarage parkiert. Fasziniert von der Sauberkeit des Parkhauses beschließen Sie, noch ein wenig die kunstvoll gemalten Kantonswappen an den Wänden zu betrachten. Nach der Hälfte der Kantonswappen nähert sich Ihnen eine uniformierte Amtsperson: "Sie verweilen in einer Tiefgarage. Ich muss Ihnen eine Busse schreiben. Das kostet 50 Franken."
§5 - Sie meiden Tiefgaragen und parkieren lieber an der Straße. Sie stellen fest, dass Ihr auserwählter Parkplatz nicht ganz groß genug ist, die Lücke hinter dem Auto daneben hingegen schon. Ein guter Rat: geben Sie zunächst die zu kleine Lücke auf, dann fahren Sie an der erspähten Lücke vorbei. Fahren Sie erst einmal im Uhrzeigersinn um den gesamten Block, bevor Sie endgültig die richtige Lücke anvisieren und dort parkieren. Beim Umparkieren muss man mindestens für kurze Zeit im fließenden Verkehr mitgefahren sein. Wenn nicht: 40 CHF.
§6 - Sie lassen den Wagen stehen und fahren lieber mit dem Fahrrad. Es ist ein herrliches Gefühl von Freiheit, die wunderschöne, grüne Landschaft zu durchradeln. Wagen Sie es ja nicht, während der Fahrt die Füße von den Pedalen zu nehmen, geschweige denn die Hände vom Lenker! Die nächste, uniformierte Amtsperson wird "...Ihnen eine Busse schreiben. Das kostet 20 Franken."
§7 - Sie kommen nachts um 22:15 aus der Dorfbeiz heraus und gehen zu Fuß zu Ihrer Unterkunft zurück. In einigen Gemeinden wäre es nun ratsam, nicht nur auf das Auto zu verzichten, sondern auch Ihre Schuhe auszuziehen, sofern diese mit schrittgeräuschverursachenden Absätzen versehen sind. Die Alternative wäre, bis 6 Uhr früh abzuwarten und erst dann loszugehen. Die Nachtruhe ist grundsätzlich heilig.
§8 - Sollten Sie jedoch brav und barfuß zur Ferienwohnung geschlichen sein, die sich in einem Etagenhaus befindet, pinkeln Sie zwischen 22 und 6 Uhr bloß im Sitzen! Stehpinkelei ist eine Störung der Nachtruhe. Von diesem unappetitlichen Geräusch will man nachts schließlich nicht aus dem Schlaf gerissen werden.
§9 - Sie haben nachts Ihr kleines Geschäft im Sitzen verrichtet: Bravo! Dann müssen Sie jetzt nur darauf verzichten, die Toilettenspülung zu betätigen. Auch das wäre eine Störung der Nachtruhe.
§10 - Sie kehren von einer anstrengenden Wanderung zurück. Das Wetter war großartig, die Sonne viel heißer als gedacht. Ihre Kleidung klebt und dampft. Sie waschen sie gründlich in der Badewanne und hängen sie anschließend zum Trocknen auf dem Balkon in der Sonne auf. Sollte zufällig auch noch Sonntag sein, dann haben Sie jetzt ein Problem: Neben der Nacht, ist auch der Sonntag heilig. Ihre Nachbarn, die sich im Garten sonnen, könnten sich am Anblick Ihrer Wäsche stören. In Deutschland ist das übrigens ebenfalls verboten, auch wenn es niemand mehr weiß.
§11 - Beim Angeln kann man so wunderbar entspannen. Zu Ihrer Überraschung beißt heute tatsächlich eine Forelle an. Dabei mögen Sie eigentlich gar keinen Fisch. Damit man Ihnen in der Heimat Ihren großen Fang auch glaubt, machen Sie noch ein Foto von Ihrer prächtigen Forelle und entlassen sie wieder zurück in den See. Da erhebt sich aus dem Uferschilf eine uniformierte Amtsperson: "Sie haben der armen Forelle unnötigen Stress verursacht. Ich muss Ihnen eine Busse schreiben."
§12 - Weil gestern Sonntag war, konnten Sie ihre nasse Wäsche nicht trocknen. Das Wetter ist heute nicht weniger schön, also beschließen Sie, einfach nackt zu wandern. In Deutschland gibt es schließlich auch eine große Naturisten-Szene. Nicht so im Appenzell. Laut "Anhang zur Ordnungsbussenverordnung" des Kantons wird "nacktes Aufhalten in der Öffentlichkeit [...] mit einer Busse von 200 Franken bestraft." Also, lieber nicht "blüttle".
§13 - Sie sind Lehrer und planen die Abschlussfahrt Ihrer Klasse. Wenn Sie Alkoholexzesse Ihrer Schützlinge fürchten und vermeiden wollen, reisen Sie mit ihnen nach Neuenburg. Nach 19 Uhr sind dort Happy-Hours und Saufspiele verboten. Die regulären Preise für alkoholische Getränke dürften den Vollrausch eines Schülers wohl verhindern.
§14 - Sie sind in Urdorf (Kanton Zürich) auf einer Hochzeit eingeladen. Zur Feier des Tages haben Sie extra Ihren goldenen Colt poliert und ein paar Schachteln Munition eingepackt. Was ist schon eine Hochzeit ohne eine gepflegte Schießerei? Als das Brautpaar die Kirche nach der Trauung verlässt, während die Gesellschaft vor der Kirche Spalier steht, Reis wirft und Tauben in den Himmel steigen, ziehen Sie ihren Revolver und ballern wie John Wayne vor dem Saloon ein paar mal in die Luft. Leider trifft es auch versehentlich eine Taube, die sogleich einer uniformierten Amtsperson vor die Füße fällt: "Die Taube ist mir egal, aber das Schiessen an Hochzeiten ist hier in Urdorf grundsätzlich verboten. Ich muss Ihnen eine Busse schreiben. Das kostet 100 Franken."
§15 - Sie haben Ihren Hund, Ihre Katze und Ihr Meerschweinchen mit in die Schweiz gebracht. Das Meersäuli brauchte einen Artgenossen (100 CHF), die gestiefelte Katze hat bei ihrem nächtlichen Ausflug das halbe Dorf aus dem Schlaf gerissen (50 CHF), der Hund pinkelt währenddessen im Stehen (50 CHF), betätigt die Klospülung (50 CHF) und Sie drehen vor lauter "Bussen" durch und rennen nackt auf die Straße (200 CHF). Als Sie sich wieder beruhigt haben, stellen Sie fest, dass Ihre Urlaubskasse leer ist. Ebenso Ihr Kühlschrank. Sie drehen erneut durch, schlachten - immerhin tierschutzkonform - Ihren Hund und Ihre Katze, stellen fest, dass Sie so viel Fleisch eigentlich gar nicht benötigen und laden deshalb noch Ihren netten Vermieter zum Abendessen ein. Sie konnten ja nicht ahnen, dass Ihr Vermieter beruflich eine uniformierte Amtsperson ist: "Laut Verordnig des EDI über Lebensmittel tierischer Herkunft sowie der Tierschutzverordnig ist der private Verzehr von Hunden oder Katzen zwar gestattet, sofern das Tier natürlich tierschutzkonform getötet wurde, aber Sie dürfen niemanden dazu einladen, der nicht Ihrem Haushalt angehört. Bitte folgen Sie mir auf den Polizeiposten."
§16 - Beim Fondue im Restaurant haben Sie Ihr Brot im Käse verloren. In wenigen Sekunden hat sich Ihr Fauxpas unter den anderen Gästen herumgesprochen. Schadenfreudig grinst man Sie an. Diese Strafen könnten Sie erwarten...
Sollte hier der Eindruck entstanden sein, in der Schweiz sei alles verboten, seien Sie beruhigt. Neben all diesen Verboten ist auch vieles möglich. Wer zum Beispiel im Wallis an einem "Privatbach" seine Trinkflasche auffüllen möchte, dem ist dies laut "Einführungsgesetz zum Zivilgesetzbuch Kanton Wallis" ausdrücklich gestattet. Dem Durstigen wird also stets geholfen. Wer allerdings Flausen im Kopf hat, der sollte sich besonders im Kanton Glarus mit dessen Ordnungsbussenverordnung in Acht nehmen, denn "grober Unfug wird mit einer Busse von 150 Franken bestraft."