Obwaldner Bratkäse - Der kleine Bruder des Raclettes (mit Rezept)

Veröffentlicht von René

Obwaldner Bratkäse - © René Buss

Nur wenige Menschen kennen den «Brätkäse». Das liegt vor allem daran, dass er außerhalb der Kantone Obwalden und Nidwalden so gut wie nirgendwo vermarktet wird. Er ist nicht nur eine unheimlich köstliche Käsespezialität, sondern auch ein äußerst wertvolles Stück Schweizer Geschichte. Wie schmeckt der Bratkäse? Wie wird er zubereitet und was macht ihn so besonders? Wir haben den «kleinen Bruder des Raclettes» genauer unter die Lupe genommen und die Käserei Seiler in Obwalden besucht, die ihn heute noch herstellt.

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Die Familienchronik der Bratkäse, Chäsbrätel und Raclette

Schon zur Zeit des Rütlischwurs, im 13. Jahrhundert wurde «Bratkäse» erstmals schriftlich erwähnt. Zum «Martiniessen», dem Festmahl am St.-Martins-Tag, sollen die wohlhabenden Einwohner von Sarnen in Obwalden ihn verspeist haben. Damit wurde der Bratkäse sogar über 200 Jahre eher schriftlich erwähnt als der Walliser Raclette. Trotzdem lässt sich nicht genau bestimmen, welcher Käse zuerst da war. Möglicherweise hatten die Obwaldner einfach das Glück, dass derzeit jemand zugegen war, der nicht nur schreiben konnte, sondern auch den Käse erwähnen wollte; Möglicherweise hatten die Walliser einfach das Pech, dass noch ältere Dokumente durch Kriege, Brände oder Hochwasser vernichtet wurden. Eine Verwandtschaft zwischen Bratkäse und Raclette ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Beide Spezialitäten wurden ursprünglich am offenen Feuer geschmolzen, wie es wohlgemerkt schon Jahrhunderte vor dem Bratkäse von den Bewohnern der Alpen getan wurde. Nur der Bratkäse aus Ob- und Nidwalden und der Walliser Raclette haben die Zeiten überdauert und werden noch heute produziert.

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Im benachbarten Berner Oberland wird die Verwandschaft zwischen Raclette und Bratkäse besonders deutlich sichtbar. Dort wird Raclettekäse geschmolzen und auf Brotscheiben gestrichen. Diese kleine Käseschnitte wird dort «Chäsbrätel» genannt. Genau so wurde der Bratkäse auch ursprünglich zubereitet. Im Wallis hingegen wird der originale Rohmilch-Raclette mit Kartoffeln gegessen, anstatt mit Brot.

Eine weitere Gemeinsamkeit hat der Bratkäse mit dem Rässkäse aus dem Appenzell. Er wurde ursprünglich ebenfalls von den Älplern rein für den Eigenbedarf hergestellt. Weil lange Reifezeiten zu kostspielig waren, ließ man ihn nur etwa drei Wochen reifen. Außerdem wurde er damals aus Rohmilch produziert, wodurch er schon nach kurzer Zeit sehr intensiv und säuerlich schmeckte. Heute wird der Bratkäse aus pasteurisierter Milch hergestellt, was sich positiv auf seine Schmelzeigenschaften auswirkt, entsprechend seiner heute bekannten Zubereitungsart.

«Chäsbrätel», der Klassiker an den Skipisten im Berner Oberland. - © Raclette Suisse 
Obwaldner Bratkäse der Käserei Seiler

Felix Schibli, ehemaliger Geschäftsführer der Käserei Seiler in Giswil (OW), hat uns die genauen Unterschiede zwischen Bratkäse und Raclette erklärt. Der auffälligste Unterschied ist die Größe der Käselaibe. Ein Bratkäse ist deutlich kleiner und mit rund 1kg Gewicht auch deutlich leichter als ein über 5kg schwerer Raclette-Laib. Um seinen mild-säuerlichen Geschmack und sehr cremige Schmelzeigenschaften zu entwickeln, benötigt der Bratkäse nur sechs bis sieben Wochen Zeit im Reifekeller. Ein Raclette benötigt mindestens vier Monate. Rund 40 Tonnen Obwaldner Bratkäse produziert die Käserei Seiler pro Jahr. Das entspricht etwa 5% der gesamten Produktion der Käserei. Die übrigen 95% bestehen größtenteils aus Raclettekäse, der im Gegensatz zum Bratkäse schweizweit vermarktet wird. Bratkäse wird in Obwalden und Nidwalden auf jedem großen Fest, vor allem während der Sommermonate, klassisch auf Brotscheiben angeboten. Auch als Tafelkäse ist er sehr beliebt. Selbst die meisten Alphütten der Region beziehen ihre Bratkäse aus der Käserei Seiler, weil sie weder die nötigen Kapazitäten, noch das Wissen für die Herstellung haben. Wanderer und Touristen lassen sich dort gerne die ursprüngliche Zubereitung am offenen Feuer demonstrieren und stärken sich für den Heimweg.

Bratkäse in der Käserei Seiler - © René Buss
Bratkäse in der Käserei Seiler - © René Buss
Bratkäse am Tannalpsee OW - © YT/Urs Amrein
Bratkäse am Tannalpsee OW - © YT/Urs Amrein
Bratkäse am Tannalpsee OW - © YT/Urs Amrein


So wird der Bratkäse zubereitet

Wie auf den großen Volksfesten der Region, so lässt sich der Bratkäse auch ganz einfach und schnell daheim in der Bratpfanne zubereiten. Die benötigte Menge Käse schneiden Sie vom Laib ab und lagern den restlichen Käse in Käsepapier gewickelt oder besser vakuumiert bis zum nächsten Gebrauch im Kühlschrank. Auch für Militär-Käseschnitten oder zum Gratinieren eignet er sich hervorragend. Ein wichtiger Teil der Zubereitung ist Apfelwein, in der Schweiz auch als «Suure Moscht» bekannt, mit 4-5% Alkohol. Zu den Apfelweinen zählt auch der bekannte «Cider», der eigentlich in jedem Supermarkt und Getränkemarkt erhältlich ist und für Bratkäse verwendet werden kann. Alternativ kann auch ein Schweizer Chasselas verwendet werden. Das Brot kann ein einfaches Ruchbrot, ein knuspriges Halbweißbrot, Ciabatta oder ein Baguette sein. Sehr beliebt sind auch geschmorte Zwiebeln, Röstzwiebeln oder frische Frühlingszwiebeln als Topping auf dem Käse oder Würstchen als Beilage. Wie beim Raclette ist die allerwichtigste Zutat aber die gute Gesellschaft, um die Freude über den köstlichen Käse zu teilen!


«Obwaldner Bratkäse» - Rezept für 2 Personen

Zutaten für 2 Personen:

1 dl Apfelwein
1/2 Seiler Bratkäse
400g Brot in ca. 1-2cm dicke Scheiben geschnitten
Gewürze (z.B. Paprika, Raclette-Gewürz, Thymian, etc.)

Zubereitung:

1. Den Käse raffeln.

© René Buss
© René Buss

2. Einen kleinen Schluck Apfelwein in die Pfanne gießen und die Pfanne erhitzen.
«Mise en Place» - © René Buss

3. Den Käse hinzugeben und unter ständigem Rühren mit einem Holzlöffel schmelzen lassen.
© René Buss

4. Wenn die Masse cremig wird, kurz aufkochen, die Pfanne vom Herd nehmen und nochmals kurz rühren.
© René Buss

5. Den Käse direkt auf die Brotscheiben gießen und würzen.

En Guete!
© René Buss


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