Von Zwiebeln und Konfetti – Der Berner «Zibelemärit»
Ende November in der Bundeshauptstadt Bern. Die «Zytglogge» zeigt gerade mal 1 Uhr nachts an. Die ersten Marktfahrer positionieren sich in der oberen Altstadt und breiten ihre Ware aus. Langsam füllen sich die Stände und eine Sache sieht man überall: Zwiebeln. Besonders fühlt man sich von den kunstvollen Zwiebelzöpfen umringt. Ab 3 Uhr, was auch für die Berner eine ungewöhnlich frühe Uhrzeit ist, gehen die ersten Produkte über die Theken. Der Duft von leckeren «Zibelechueche» liegt in der Luft. Eine Stunde später sieht man schon viele Berner mit ihrer Ausbeute herumspazieren. Obwohl man die Sonne noch nicht am Horizont erblickt, sind alle hier schon mit einem Lächeln unterwegs. Was hier wie der Horror eines jeden Morgenmuffels klingt, ist ein jährliches kulturelles Event, was nicht nur für die Berner selbst interessant ist, sondern auch Besucher aus der ganzen Schweiz und dem nahen Ausland anzieht: Der «Zibelemärit». Das vorweihnachtliche Ereignis dauert bis 18 Uhr abends und bis zu 30 Tonnen Zwiebeln warten darauf, gekauft zu werden. Das Datum für den Zwiebelmarkt wird immer auf den vierten Montag im November gesetzt.



Die Touristen und die „echten“ Berner
Am frühen Morgen sieht man fast ausschließlich Berner auf dem Markt. Kein Wunder, denn der Tag des «Zibelemärit» ist kein Feiertag und später müssen sie zur Arbeit gehen. Schulkinder sieht man ebenfalls noch vor Schulbeginn mit einer noch dampfenden Zwiebelpizza in der Hand herumlaufen. Während die Berner später auf der Arbeit oder in der Schule sind, strömen die Touristen ein. Die SBB (Schweizerische Bundesbahn) hat sogar einen Sonderfahrplan, um die vielen Zwiebelmarkt-Interessenten schnell herzubringen. Spätestens ab 16-17 Uhr kann man jedoch alle vorfinden, egal ob Berner oder Nicht-Berner. Eine Mischung aus Zwiebel-Liebhabern von überall her. Um diese Uhrzeit schließen dann fast alle Geschäfte in der Altstadt und auch die Schulkinder eilen wieder herbei. Auch sieht man jetzt viele warme Glühweintassen in den Händen der Besucher. Der passt perfekt zu dem kalten Novemberwetter, um sich etwas aufzuwärmen.
Übrigens: Auch andere Ortschaften in der Schweiz sind von dem «Zibelemärit» angetan und hatten schon ihre eigenen Märkten veranstaltet. Darunter Zürich und Lugano. Aber keine Sorge, um dem Original treu zu bleiben, wurden diese Märkte von den Berner Veranstaltern selbst organisiert.
Nicht nur Zwiebeln
Am Abend läuft man verwundert über die Kopfsteinpflaster der Altstadt und findet Konfetti auf dem Boden. Ist denn schon Fasnacht? Fand hier eine Party statt? Beides: Nein. Die Berner haben zum Zwiebelmarkt noch eine besondere Tradition. Ab 16 Uhr findet eine Konfetti-Schlacht statt. Die Besucher des Zwiebelmarktes bewerfen sich gegenseitig mit Konfetti. Manchmal fliegt dann so viel Konfetti durch die Luft, dass manch einer glaubt, es schneie bunte Schneeflocken. Besonders Kinder sieht man mit strahlenden Augen die bunten Schnipsel in die Luft werfen. Außerdem findet an dem besonderen Tag auch eine kleine Preisverleihung statt. Der «Bäredräck»-Preis wird jedes Jahr an Personen verliehen, die für Bern etwas besonderes geleistet haben. Hut ab!
Geschichte des «Zibelemärits»
Viele Legenden ranken sich um die Geschichte und den Ursprung dieses zwiebligen Events. Wie kam es dazu, dass Bern so verrückt nach dieser Pflanze wurde? Viele gehen davon aus, dass der Ursprung bereits im 15. Jahrhundert war, andere denken, dass der Ursprung erst viel später war und datieren ihn auf das 19. Jahrhundert. Bei einer Sache sind sich aber so ziemlich alle einig: Der Zwiebelmarkt wurde in Verbindung mit dem damaligen Berner Herbstmarkt, auch Martinimarkt genannt, gegründet. Wie der Name schon sagt, fand dieser Markt damals um die St. Martinszeit statt. Zusätzlich fand dort auch ein exklusiver Markt nur mit Zwiebeln statt. Der Zwiebelmarkt konnte sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Diese Beliebtheit war so groß, dass der Zwiebelmarkt den Herbstmarkt übertrumpfte. Das ging so weit, dass es den Herbstmarkt heute nicht mehr gibt.
Heute hat auch der Zwiebelmarkt mit immer mehr Problemen zu kämpfen. Seit der Corona Pandemie, wo der Markt für ein Jahr aussetzen musste, gibt es immer weniger Verkaufsstände. Waren es vor 2020 fast immer um die 600, sind es seit 2021 nicht einmal 500. Auch die Menge an verkauften Zwiebeln wird geringer. Auch hier: Vor Corona waren es immer um die 50 Tonnen, während es die letzten zwei Jahre nur 30 waren. Viele Verkäufer vor Ort begründen das damit, dass immer weniger Menschen lernen, wie man kunstvolle Zwiebelzöpfe macht. Glücklicherweise ist im Jahr 2023 aber eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Im Vergleich zu 2022 hat sich die verkaufte Menge an Zwiebeln wieder um 3 Tonnen auf 32 Tonnen erhöht. Auch die Nachfrage ist so stark gestiegen, dass die Verkäufer schon am Morgen - so früh wie noch nie - ihre Zwiebeln ausverkauft hatten. Wegen des schlechten Wetters sei die Zwiebelernte eher mager ausgefallen, sonst hätte noch mehr verkauft werden können. Die Zahl der Verkaufsstände ist hingegen zwar erneut gesunken, was aber daran liegt, dass viele Verkäufer ihre Standfläche vergrößert haben und einige Zwiebelhändler keinen Platz mehr bekamen. Die Freude an Zwiebelzöpfen, Zwiebelkuchen, Glühwein und Konfetti bekommt also neuen Aufwind und eine positive Entwicklung ist auch in den kommenden Jahren zu erwarten. Auch die Stimmung unter Besuchern und Verkäufern war wieder so ausgelassen und fröhlich wie vor 2020. Möglicherweise sogar noch besser.