Das Glarner Tüechli – als «Bandana» weltberühmt

Veröffentlicht von Giulia

© blumer-f.ch

Jeder kennt die quadratischen Stofftücher mit dem berühmten Paisleymuster. Meistens in Rot, Schwarz, aber auch in sämtlichen anderen Farben sieht man dieses Stück Stoff sogar an den Stars aus Hollywood. Mal als stylisches Bandana am Kopf, mal als Oberteil um den Körper gewickelt, mal ganz lässig aus der Hosentasche baumelnd oder einfach als Halstuch. Die Wenigsten wissen aber, dass dieses modische Tuch ein echtes Schweizer Original mit einer über zweihundertjährigen Geschichte ist.

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Das Original

Das Original Glarner Tüechli ist quadratisch und hat meistens eine Seitenlänge von 50 oder 70 Zentimetern. Sein quadratisches Mittelfeld ist mit einem orientalisch inspirierten Muster bedruckt, das man allgemein als Paisleymuster kennt. Den Rand dieses Mittelfelds bildet eine Bordüre aus Ornamenten. Die klassische Grundfarbe ist Rot und die Muster sind in Schwarz, Grau und Weiß gehalten. Mittlerweile sind der farblichen Gestaltung keine Grenzen gesetzt und viele Farb- und Mustervarianten erfreuen sich großer Beliebtheit.

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Der lange Weg von Indien bis in die Schweiz

Im 17. Jahrhundert brachten britische Seefahrer farbig bedruckte Tücher aus Indien nach Europa. Exotische Güter aus fernen Ländern waren bei der wohlhabenden Bevölkerung Europas heißbegehrt. Tee, Kaffee, Kakao, edle Tabakwaren und eben auch die bunten Stoffe mit orientalischem Muster standen besonders hoch im Kurs. Weil der Import aus Indien sehr teuer war, bauten Textilunternehmer in Europa Fabriken, um diese beliebten Stoffe nach indischem Vorbild selbst herzustellen. Das beliebteste Produkt wurde in der schottischen Stadt Paisley hergestellt, von wo aus sich das heute berühmte Paisleymuster in ganz Großbritannien ausbreitete. Auch in der Schweiz entstanden erste Fabriken; die erste wurde 1691 in Genf errichtet, gefolgt von Neuenburg, Aargau, Bern, Basel und Zürich. Im Kanton Glarus, wo das Glarner Tüechli seinen Ursprung hat, wurde erst 1740 eine Stoffdruckerei gebaut. Ab dem 19. Jahrhundert gehörte der Kanton Glarus neben der Region Mühlhausen und England aber bereits zu den bedeutendsten Zentren des Stoffdrucks in Europa.


Textildruck im Glarus und der Weg zum «Tüechli»

Im Jahr 1822 gab es 22 Spinnereien und Webereien an Glarner Gewässern wie dem Fluss Linth, was den Glarus zum Kanton mit dem meisten Manufakturen in der Schweiz machte. Von den damals lediglich 35.000 Einwohnern im Kanton Glarus arbeiteten circa 6.200 in diesen Fabriken, darunter auch viele Frauen und Kinder, wie es zu jener Zeit überall üblich war. Pro Jahr wurden dort 48 Millionen Meter Stoff produziert. Diesen behielten die Schweizer aber nicht nur für sich, sondern exportierten ihn weltweit. Gebietsweise wurde sogar erste Marktforschung betrieben, um genau die Art Stoff und Druck anbieten zu können, die in dem jeweiligen Gebiet am meisten gefragt war. Das Paisleymuster kam wohl erstmals als Schal und Taschentuch mit wohlhabenden, britischen Touristen in die Schweiz. Sofort stieg die Nachfrage nach diesen schönen Mustern im ganzen Land und die Glarner Stoffdrucker passten dank intensiver Marktforschung die Produktion an. Kombiniert mit einem praktischen Tuchformat von 50 mal 50 Zentimetern war nun das Glarner Tüechli geboren. Vor allem durch seine vielseitige Verwendbarkeit, beispielsweise als Halstuch, Kopftuch oder als Taschentuch, und durch seine enorm gute Qualität war es rasch so beliebt, dass sogar die wohlabenden Briten es der Ware aus der Heimat vorzogen und auf ihren Schweizreisen großzügig einkauften. So verbreitete es sich über England hinaus in die Welt und das Glarner Original wurde vielerorts in günstigeren und weniger aufwendigen Verfahren zu Lasten der Qualität kopiert.

Billige Tüechli-Kopien
Das Original - © Glarussell


Das Glarner Tüechli heute

Leider ist die traditionelle Herstellung vom Glarner Tüechli in der Schweiz zu kostspielig geworden und viele Hersteller lassen es günstig in Ostasien produzieren. Einzig die Firma «Blumer» produziert heute noch Glarner Tüechli nach alter Tradition im Glarus.

Besonders bemerkenswert ist der «rebellische» Charakter des Tuches. Schon im 19. Jahrhundert protestierten die Arbeiter in den Textilfabriken mit diesem Tuch. Es war üblich, bis zu 16 Stunden am Tag und ohne Schutz mit giftigen Chemikalien zum Färben der Stoffe zu arbeiten. Aus diesen Protesten entstand eines der ersten Arbeitsschutzgesetze der Welt im Jahr 1864. Diese beinhalteten ein Arbeitsverbot für Kinder unter 12 Jahren, Sicherheits- und Hygienemaßnahmen und ein Arbeitslimit von höchstens 12 Stunden am Tag. Von diesem Erfolg inspiriert wurde es fortan zu einem Protestsymbol der Arbeiterbewegungen.

Inzwischen ist das Glarner Tüechli als Bandana weltweit bekannt. Besonders die Western-Filme aus den 1950er- und 60er Jahren lösten einen neuen Ansturm darauf aus. Alle Jungen wollten so ein Tuch wie die Banditen im Film, die damit maskiert eine Bank oder eine Eisenbahn überfielen. Ende der 60er Jahre waren sie bei der Hippiebewegung weit verbreitet, auch als Symbol der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg. Bis heute wurden regelmäßig Stars mit diesem Tuch gesichtet; darunter Schauspieler wie Johnny Depp und Musiker wie Axl Rose von Guns'n'Roses oder Rapper Tupac. Meistens handelt es sich dabei allerdings um billige, minderwertige Kopien, weshalb das Glarnerland leider kaum von der Popularität des Tuches profitiert. Der Qualitätsunterschied zwischen Kopie und Glarner Original ist bei direktem Vergleich jedenfalls auf den ersten Blick erkennbar. Originale Glarner Tüechli aus dem Glarus sind leider nur noch sehr selten außerhalb der Schweiz zu finden. Bei Trachtengruppen gehört das «Fazonetli» immerhin schweizweit als Halstuch zum klassischen Edelweißhemd oder als Schnupftuch in den Hosensack.

John Wayne in «Der Schwarze Falke» 1956 mit Tüechli


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