Rehpfeffer mit Waldpilzen - So wild schmeckt der Herbst! (mit Rezept)
Wenn die Spitzen der Lärchentriebe sich braun verfärben und ein kalter und dichter Morgennebel an den Berghängen klebt, kommt die schönste Zeit des Jahres. Im Herbst gibt die Natur schließlich ihre besten Köstlichkeiten frei. In den Schweizer Alpen, zwischen 1000 und 2000 Metern Höhe, wo die Natur noch dank reiner Luft besonders gut gedeihen kann, kann man sich den ganzen Tag daran erfreuen. Bei einem Spaziergang durch den Wald kann man die süßesten wilden Blaubeeren und Himbeeren naschen, Pilze sammeln und nebenbei Gämsen beobachten oder den ulkigen Brunftröhrern der Hirsche lauschen. Wer bekommt da nicht Appetit auf ein herzhaftes Wildgericht?


Hochjagd im Wallis
Während der zweiten Septemberhälfte trifft man so viele Jäger in den Wäldern, dass es fast schon verwundert, dass sie überhaupt noch Jagdwild finden und sich nicht gegenseitig über den Haufen schießen. Alle paar Minuten knallt es irgendwo. 1448 Rothirsche und 1763 Gämsen wurden in der zweiwöchigen Saison 2024 von rund 2000 Jägern erlegt. Das sind deutlich weniger, als vom Kanton geplant. Nun müssen die Wildhüter ausrücken und nachschießen, denn die Wildbestände sind viel zu groß und gefährden mit ihrer Gefräßigkeit die Wälder. Immerhin konnten sich die erlegten Tiere bestens ernähren und die Bewegung in den Bergen sorgt für bestes Muskelfleisch. Die Speisekarten der Restaurants sind auf Wildsaison angepasst. Selten kommt das Fleisch tatsächlich aus der Schweiz. Die Nachfrage ist viel höher als die Erträge der Jagd. Auch in den Supermärkten sind die Kühlregale mit Hirsch-, Reh-, und Gamsfleisch gefüllt. 100% Bio und 0% Massentierhaltung - mehr Tierwohl geht nicht.



Steinpilze und Eierschwämmli
Die Jagd überlassen wir lieber fachkundigem Personal und kümmern uns um die Beilagen. Irgendwo im Dorf will jemand schon eine Woche zuvor Steinpilze gefunden haben. Den genauen Fundort verrät er natürlich nicht. Auch Tage später ist noch immer kein einziger Steinpilz zu finden, doch plötzlich findet man sie überall in den Wäldern. Man beschließt am nächsten Tag mit einem großen Körbli zurückzukehren, aber da sind auch schon die schönsten alle abgesammelt. Was übrig bleibt, ist noch recht mickrig oder bereits von Tieren angefressen. Das erschwert besonders die optische Unterscheidung zwischen Steinpilz und Gallenröhrling. Ein vorsichtiger Biss in den Hut verschafft Klarheit: Ein unbeschreiblich beißender und bitterer Geschmack fährt über die Zunge und lässt einen die kleine Geschmacksprobe reflexartig wieder ausspucken. Daher auch der Name - der Gallenröhrling schmeckt nach Galle! Immerhin sind noch ein paar Eierschwämmli (Pfifferlinge) zu finden. Die sind recht eindeutig zu identifizieren. Erst als wir nach Hause zurückkommen finden wir endlich die ersehnten Steinpilze - direkt vor dem Haus auf der Wiese!


Traditionelle oder wilde Zubereitung?
Die Zubereitung von einem Wildpfeffer ist kein Hexenwerk. Sie ist recht aufwendig, aber ziemlich einfach. Heimliche Hauptattraktion ist eigentlich die cremige Soße, die mit ihrem kräftigen Geschmack begeistert. Welches Wildfleisch verwendet wird, ist der persönlichen Vorliebe oder einfach der Verfügbarkeit überlassen. Besonders kräftiger Wildgeschmack in der Soße lässt sich mit Gamsfleisch erreichen. Leider ist diese Delikatesse relativ selten verfügbar, aber Hirsch oder Reh sind überall gut erhältlich. Wir haben frisches «Gulasch» aus der Keule vom Reh bekommen. Als Faustregel gilt: Je länger das Fleisch gebeizt wird, desto stärker wird der Wildgeschmack abgemildert. Wildfleisch, das in Restaurants serviert wird, wurde meistens zwei Wochen oder länger gebeizt. Das verschafft in der Gastronomie den Vorteil, dass es schon recht mürbe aus der Beize kommt und nicht lange geschmort werden muss. Wir kehren dieses Prinzip genau um: Wir beizen unser Reh-Gulasch nur 24 bis 48 Stunden, um den Wildgeschmack zu erhalten und schmoren es dafür etwas länger, bis es butterzart ist. Schließlich soll es Geschmack an die Soße abgeben und nicht nur den Geschmack der Beize aufnehmen. Die Soße verfeinern wir mit Steinpilzen, Eierschwämmli und Maronen. Wer weder Pilze noch Maronen mag, verzichtet einfach darauf und verwendet beispielsweise einfach das Gemüse aus der Beize. Apfel-Rotkohl und Rosenkohl sind klassische Beilagen zu einem Wildpfeffer. Spätzli oder Knödel findet man auch häufig, aber viel besser dazu passt eine knusprige Kräuter-Rösti, wie wir kürzlich zu unserer Räucherforelle gebacken haben. Als oberstes Gebot beim Wildpfeffer gilt: Niemals an der Qualität der Zutaten sparen! Ein guter Rotwein ist unumgänglich.
«Rehpfeffer mit Waldpilzen, Maronen, Rotkohl, Rosenkohl und Rösti» - Rezept für 4 Personen
1 kg Rehfleisch (Schulter, Brust oder Keule) in ca. 4cm-große Stücke geschnitten
Zutaten für die Beize:
250g Möhren
250g Knollensellerie
250g Zwiebeln
1 Apfel
2 Tomaten
4 Knoblauchzehen
2 EL Olivenöl
2 Lorbeerblätter
3 Zweige Rosmarin
3 Zweige Thymian
5 Nelken
10 Körner Piment
10 Wacholderbeeren
Salz
Pfeffer
2 EL Tomatenmark
7 dl Rotwein
2 dl Sherry Medium Dry
0,5 dl Rotweinessig
Zubereitung:
1. Das Gemüse und den Apfel schälen, grob in Würfel schneiden und die Knoblauchzehen halbieren.
2. Alles zusammen in einem großen Kochtopf in wenig Olivenöl anrösten.
3. Tomatenmark, Gewürze und Kräuter hinzugeben, mit Rotwein, Sherry und Rotweinessig aufgießen und etwa 10min aufkochen lassen.
4. Beize zur Seite stellen und vollständig auskühlen lassen. Dann das Fleisch darin einlegen (Falls vorhanden, Fleischsaft unbedingt mit hinein!) und für mindestens 24 Stunden in den Kühlschrank stellen.
Zutaten für die Soße:
1 l Wildfond
0,5 dl Cognac
Steinpilze, Pfifferlinge und Maronen nach Belieben
Salz
Pfeffer
Mehl
1 EL Butterschmalz
Zubereitung:
1. Die Beizflüssigkeit durch ein Sieb in einen mittleren Topf gießen.
2. Fleischstücke vom Gemüse trennen.
3. Fleischstücke mit Salz und Pfeffer würzen und mit wenig Mehl pudern.
(Tipp: Das Gemüse aufbewahren! Damit lässt sich noch in den nächsten Tagen eine herrlich gute Hackfleischsoße für Hörnli zaubern.)
4. Die Beizflüssigkeit aufkochen und etwa zur Hälfte einreduzieren. (Tipp: Ein Kochtopf mit Liter-Innenskalierung ist hier sehr hilfreich!)
5. Die Pilze in einer großen Pfanne ohne Öl braten.
6. Vorgekochte Maronen kurz mitrösten.
7. Pilze und Maronen auf einem Teller zur Seite stellen, die Pfanne NICHT ausspülen!
8. Fleischstücke in Butterschmalz scharf an allen Seiten anrösten.
9. Mit Cognac ablöschen und in die einreduzierte Beize gießen.
10. Mit Wildfond aufgießen und zugedeckt mindestens 90min köcheln lassen.
11. In der Zwischenzeit, die übrigen Beilagen wie Rotkohl, Rosenkohl und Rösti zubereiten.
12. Falls nötig oder gewünscht, die Soße mit ein paar Stückchen Butter montieren.
13. Hitze klein stellen, Pilze und Maronen hinzugeben oder als garnitur auf dem Teller anrichten.
En Guete!