Schwyzerdütsch - Lektiönli 4
Gratulatiönli! Wenn Sie die ersten drei Lektiönli gut bewältigt haben, dann ist Schwyzerdütschli für Sie ein Klacksli. Sicher nimmt es Sie Wunderli, wieso bisher so wenig Wortendungen mit -li vorkamen, obschon die Schweizerli bekanntlich dieses herzige Suffix so gern überall anhängen. Die Erklärung ist ganz einfach: Weil es ein ziemlich flaches Vorurteil ist, das ganz und gar nicht der Realität entspricht! Sollten Sie in der Schweiz auf die Idee kommen, einfach an jedes Nomen ein -li anzuhängen, oder sich über die angeblich permanente Verniedlichungsmanie der Schweizer lustig machen, enttarnen Sie sich gleich wieder als respektloser, arroganter, deutscher Tourist. Im folgenden Übungstext haben Sie die Chance, sich eines Besseren belehren zu lassen. Sie werden sehen, so viele -li hat es nicht.
"Neuer Gasthof, neues Glück"
Seitdem Sie Ihre Nachbarin in den "Gasthof Löwen" ausgeführt haben (siehe Lektion 3), haben Sie bemerkt, dass es in fast jedem zweiten Dörfli der Deutschschweiz auch ein "Gasthof Löwen" hat. Daneben hat es natürlich auch noch drei andere Namen für klassische Dorfbeizen und Wirtshäuser: "Gasthof Krone", "Gasthof Sternen" und heute kehren Sie mit Ihrer Nachbarin im "Rössli" ein, in der Hoffnung, dass das Essen dort besser schmeckt. Sie haben extra Ihr bestes Hemmli angelegt und ein dezentes Krawättli, um Ydruck zu schinden. Das "Rössli" befindet sich in einem schönen Stöckli, einem alten, dreistöckigem Bauernhüsli mit vielen roten Blüemli an den Fenstern. Ein altes Specksteinöfeli wärmt das gemütliche Stübli und ein Guggerzytli hanget an der Wand, grad neben einem großen Bild vom Matterhörnli. Es hat zwar viele Bärgli in der Region, aber das Matterhörnli kennet haut jeder Tourist. Geführt wird das "Rössli" von der Familie Häberli. Das Vreneli bedient die Gäste, der Ueli chochet und Bäschteli, das siebenjährige Büebli vom Vreneli und dem Ueli, verkauft den alten Herren Stümpli und Zündhölzli. Einen Fumoir hat es im "Rössli" nicht und wegen dem müssen die Herren dusse im Gärtli rauchen. Immerhin hat es dort ein Bänkli. Sie aber rauchen natürlich nicht und nehmen im Stübli platz. Das Vreneli begrüsst Sie und reicht Ihnen die Speisekarten. Ihre Nachbarin bestellt euphorisch zwei Cüpli. "Isch das es nöies Wort für nes Herrgöttli? Seit me däm jitz eso?", fragen Sie verwirrt. Ihre Nachbarin erklärt amüsiert: "Nei, hüt ha n'i lieber nes Gläsli Champagner u keis Bierli. Däm seit me Cüpli." Da kommt auch schon das Vreneli und stellt Ihnen die Cüpli Champagner auf. "Santé!", sagen Sie in Ihrem besten Französisch, als sie das Cüpli lüpfen. Ihre Nachbarin erwidert: "Prööschtli!"
Sie widmen sich schließlich der Speisekarte, die sich als vorhersehbar erweist. "Bürgerliche Schweizer Küche - Pizza zum Mitnehmen" steht schließlich schon außen auf dem Täfeli angeschrieben.
Die Speisekarte:
Das liest sich, als ob man nach der "Schweizer Küche" tatsächlich noch die "Pizza zum Mitnehmen" bräuchte. Sie fragen sich, was Sie mit Bonbons zum Nachtisch sollen und Ihrer Nachbarin ist die Karte zu fleischlastig. "Immer soll man gleich am Besten ein ganzes Chueli essen oder so. Das isch mer zviu Fleisch!", reklamiert sie. Sie versuchen, ihre Laune mit einem Scherz zu bessern: "Hättisch lieber Heugümperli am Spiessli? Im Gärtli hetts sicher no nes Müüsli!" Sie dreht das Spiessli umme: "Meinsch i cha jitz am Aabe no nes Müesli ha?" Sie haben aber keine Lust über kleine Nagetiere und Frühstücksspeisen zu debattieren und konstatieren: "Also ich nehme das Kalbsplätzli Wiener Art mit Pommes Frites!" Ihre Nachbarin hat sich auch endlich entschlossen: "Ravioli für mi!"
Als das Vreneli das Essen serviert hat, wünschen Sie "En Guete!", doch ihre Nachbarin sagt: "Momänt! I muess grad no schnäu nes Föteli mache für Instagram!" Das duuret... Inzwischen kommt das örtliche Jodlerchörli in die Stube und stimmt zur Begrüssung den Häberlis ein kleines Liedli an. Das tönt so schön, dass Sie schon fast das Essen und Ihre Begleitung vergessen. Da schriesst Sie ein zartes Stimmli aus Ihrem Träumli: "Guete Maa, nes Stümpli für e Stutz?" Es ist das kleine Bäschteli und will ihnen eine kleine Zigarre für einen Franken verkaufen. "Los, Büebli! So aut gsehen i aber no nid uus!", protestieren Sie. Das Bäschteli denkt kurz nach und stellt fest: "Nes Bitzeli de scho!" - "Jitz nimm scho nes Stümpli vo däm Männli, du aute Löli! I wott ändlech esse!", fordert Ihre Nachbarin lachend und fragt: "Näme mir no nes Cüpli?" Aber angesichts des gewaltigen Plätzlis auf Ihrem Teller und der, im Gegensatz zur Speisekarte, absolut unvorhersehbaren Dorfbeiz-Atmosphäre antworten Sie: "Nei. I bruuch jitz nes Schnäpsli!"
Guet, es hat doch ein paar niedliche Suffix-li. Vielleicht auch nes paar mehr... Dann isch es haut eso. Es fallt eh nid würklech uf, oder?!