Tessin / Ticino (TI)
Das Tessin liegt im Süden der Schweiz und grenzt an Italien. Seinen Namen hat der Kanton vom Fluss Ticino, der von der Quelle an der Walliser Grenze bis zur italienischen Grenze das Tessin 91km lang durchquert und schließlich in Italien im Fluss Po mündet. Im Norden sowie Nordosten grenzt das Tessin an die Kantone Wallis, Uri und Graubünden. Zusätzlich bildet die Campione d´Italia eine Enclave auf Schweizer Staatsgebiet. Hauptort des Kantons ist Bellinzona, die bevölkerungsreichste Stadt hingegen ist Lugano. Neben Graubünden ist das Tessin der einzige Kanton, in dem Italienisch die Amtssprache ist. Der italienische Einfluss wird jedoch nicht nur in der Sprache, sondern noch viel mehr in der Architektur, der Kulinarik und den Traditionen deutlich.
Ab in den Süden
Das Klima des Tessins ist geprägt von Sommer, Sonne, Sonnenschein. Durch die Alpenketten werden kalte Luftmassen aus dem Norden weitgehend zurückgehalten. So profitiert das Tessin vom warmen Mittelmeerklima und erhält völlig zu Recht den Titel der «Schweizer Sonnenstube». Das Zusammenspiel zwischen Klima und den Berglandschafen des Tessins sorgt für einzigartige landschaftliche Kombinationen. Das Rheinwaldhorn ragt 3402m in die Höhe und gewährt einen einzigartigen Ausblick, welcher ihm den Ruf als östliches Gegenstück zum Monte Rosa einbringt. Weniger hoch, jedoch genauso bekannt ist das Gotthardmassiv. Die Gebirgskette ist nicht nur sagenumwoben sondern auch ein Paradies für Wanderer, wie auch auch beispielsweise das Verzascatal im Norden des Tessins. Neben den Gebirgen im Tessin sind auch die beiden Seen Lago Maggiore und Lago di Lugano im Süden eine landschaftliche Besonderheit. Sie kontrastieren die schneebedeckten Gipfel der hohen Berge mit Sommerfeeling am Strand unter Palmen.
Anschluss an die Welt
1803 wurden das Tessin und 18 weitere Kantone durch die Mediationskarte Napoleons Teil der schweizerischen Eidgenossenschaft. Doch zunächst erging es dem Tessin wesentlich schlechter als den anderen Kantonen. Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Tessin aufgrund der schlechten Verkehrsanbindung eine wirtschaftlich unterentwickelte Region. Das Gotthardmassiv schottete die Region vom Rest der Schweiz weitgehend ab, heutige Großstädte wie Locarno und Lugano waren vor 1900 noch verarmte Dörfer. Das alles änderte sich schlagartig, als 1882 der erste Eisenbahntunnel durch den Gotthard fertiggestellt wurde. Noch während der Bauarbeiten verbesserte sich die wirtschaftliche Lage der Tessiner durch die im Tunnelbau geschaffenen Arbeitsplätze signifikant. Entlang der Eisenbahnschienen entstanden schnell unzählige Industriestandorte. Auch das Tessin war nun endlich im Zeitalter der Industrialisierung angekommen.
Zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Strecke durch den Gotthard erstmals für den Pkw- und Lkw-Verkehr geöffnet. Mit der Fertigstellung des Gotthard-Straßentunnels 1980 war die schnelle Reise in den Süden dem Individualverkehr möglich. Im Juni 2016 konnte nach 17 Jahren Bauzeit der längste Eisenbahntunnel der Welt eingeweiht werden. Über 57km durchquert der Gotthard-Basistunnel das Gotthardmassiv auf der Nord-Süd-Achse. Die geringfügigen Höhenunterschiede der Strecke ermöglichen den Betrieb von Hochgeschwindigkeitszügen mit bis zu 250km/h Spitzengeschwindigkeit.
Erst himmelhoch jauchzend, dann zu Tode betrübt
Eines der größten Fasnachtsfeste der Schweiz mit alter Tradition ist der Rabadan in Bellinzona. Seit über 160 Jahren ist der Februar die Zeit des ausgelassenen Feierns und Tanzens. Der «König» der Fasnachtsgesellschaft führt das Spektakel an. Am «Schmutzigen Donnerstag» unterwirft sich der Stadtpräsident und von Bellinzona dem «König» und überreicht ihm den symbolischen Schlüssel der Stadttore. Danach haben im Tessiner Hauptort fünf Tage lang die Narren das Sagen. Neben Umzügen, Guggenmusikkonzerten und Tauziehturnieren, werden in der Altstadt Risotto und Luganighe (Schweinswürste) verteilt. Verschiedene Festzelte mit Musik bieten die ganze Nacht lang bis zum Sonnenaufgang Platz für die zahlreichen Besucher.
Weniger ausgelassen geht es im Tessin während der Prozessionen in der Karwoche zu. Am Abend des Gründonnerstags und des Karfreitags ziehen Gläubige durch die Altstadt von Mendrisio. Die Lichter werden ausgeschaltet und die Gassen fast ausschließlich von den «Transparenti», den großen Leuchtbildern, erhellt. Am Gründonnerstag stellen über 270 Darsteller die Leiden Jesu schauspielerisch nach, ganz ohne ein einziges Wort dabei zu sagen. Noch andächtiger verläuft die Karfreitagsprozession. Über 600 Mitglieder der verschiedenen Bruderschaften und kirchlichen Vereine schreiten mit Standbildern Jesu und der Jungfrau Maria durch die Stadt. Begleitet wird die Prozession von drei Musikgesellschaften, die eindrückliche Trauermärsche spielen. Am Anfang und am Ende des Zugs reiten die Tambouren.
Der Blick von Oben
Wer im Tessin unterwegs ist, sollte auch einen Zwischenstopp im Hauptort des Kantons einlegen. Bellinzona ist besonders Bekannt für seine drei Burgen und die Murata, die Wehrmauer. Seit dem Jahr 2000 gehören sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die gut erhaltenen Burgen Castelgrande, Castello di Montebello und Castello di Sasso Corbaro sind Besuchern für Besichtigungen auf eigene Faust aber auch für Führungen geöffnet. Das Castelgande ist die älteste und imposanteste der drei Burgen. Sie thront auf einem felsigen Plateau, hoch über der Altstadt und hebt sich durch ihre beiden 28m und 27m hohen Türme ab. Im Castelgrande befinden sich außerdem das archäologische Museum und das Kunstmuseum.
Wem die Zeit fehlt, gleich die ganze Schweiz zu erkunden, kann sich im Swissminiatur in Melide einen kurzen «Überblick» verschaffen. In dem außergewöhnlichen Freilichtmuseum werden auf über 14.000km² die bedeutendsten Schweizer Gebäude und Verkehrsmittel ausgestellt. 128 Modelle, unter anderem die Schlösser Rapperswil, Chillon und Bellinzona, oder das Bundeshaus Bern werden im Maßstab 1:25 ausgestellt. Auf einer Strecke von 3560m verläuft zusätzlich die lebendig gestaltete Miniatur-Eisenbahn. 18 Züge fahren über Brücken und durch Bahnhöfe, an denen sie manchmal auch halten. Schiffe kreuzen auf den Seen, Autos fahren über Landstraßen und Autobahnen und Luft- und Standseilbahnen schweben und fahren den Berg hoch und runter.
Ein weiteres Highlight im Tessin ist die Stadt Lugano. Gelegen in einer Bucht des Luganersees liegt die größte Stadt des Tessins. Sie ist drittwichtigster Finanzplatz der Schweiz, Kongress-, Banken- und Businesszentrum, aber auch die Stadt der Parks, Blumen, Villen und Sakralbauten. Lugano vereint alle Vorteile einer Weltstadt mit dem Charme einer mediterranen Kleinstadt. Der verkehrsfreie historische Stadtkern, die zahlreichen Bauten im lombardischen Stil, exklusive Museen, die Berge, der See und ein voller Veranstaltungskalender laden zum Besuch ein. Dank des milden Klimas ist Lugano bereits im Frühling ein attraktives Reiseziel, jedoch auch zu jeder anderen Zeit einen Besuch wert.