Waadt / Vaud (VD)
Der vollständig in der französischsprachigen Romandie liegende Kanton Waadt (frz.: Vaud) ist der viertgrößte Kanton der Schweiz. Er grenzt an Frankreich und die Nachbarkantone Genf, Wallis, Freiburg, Bern und Neuenburg. Nahezu die gesamte südliche Grenze des Kantons wird durch den atemberaubend schönen Genfersee umschlossen. Hauptort des Kantons und gleichzeitig auch die einwohnerreichste Stadt ist Lausanne, auch bekannt als die Olympische Hauptstadt. Das liegt zum einen daran, dass das Olympische Komitee hier seinen Sitz hat, zum anderen liegt es an dem «Musée Olympique», dem Olympischen Museum.
Doch der Kanton Waadt ist nicht nur für seine Sportaffinität bekannt, sondern viel mehr für seine Landschaft und die Weinproduktion. Der höchste und zugleich beliebteste Berg des Kantons ist das vergletschere Gebirgsmassiv Les Diablerets mit 3210m ü. M. Das etwa 3000m hoch gelegene Skigebiet «Glacier 3000» mit seiner weiten Aussicht bis zu Eiger, Mönch und Jungfrau in den Berner Alpen ist ein wahres Paradies für Wintersportler. Das Waadtland hat sich mit der Rebbauzone an den Steilhängen des Genfersees einen Namen als zweitgrößter Weinproduzent der Schweiz gemacht. In der Sonne glitzerndes Wasser, Surfer, Boote, mit Rebstöcken besetzte Weinhänge und das Alpenpanorama: Das ist das Waadtland.
Ein Hoch auf den Wein
Zwischen Lausanne und Vevey erstreckt sich auf einer Länge von circa 30 Kilometern das größte Weinbaugebiet der Schweiz: Lavaux. Steilterrassen erheben sich über das Blau des Genfersees. Im Jahr 2007 wurde Lavaux sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Eine Wanderung oder Fahrradtour ist die schönste Art, Lavaux und seine malerischen Winzerdörfer kennenzulernen, und den Tag bei einer Weinverkostung ausklingen zu lassen. Berühmtester Wein aus dem Waadtland ist der Chasselas, der beim Fondue und Raclette traditionell Pflicht ist.
Als zweitgrößter Weinhersteller der Schweiz hat das Waadtland eine uralte Tradition und Geschichte, die in Vevey alle 20 Jahre ausgiebig zelebriert werden. Die Fête des Vignerons in Vevey finden einmal pro Lebenszyklus einer Weinrebe statt. Weil dieser seltene Anlass nur fünf mal im Jahrhundert stattfindet, wird er umso prunkvoller gefeiert. Mehrere Wochen lang hält die Tradition ganz Vevey auf Trab. Organisiert wird das Fest von der Winzerzunft. Diese ist aber nicht bloß für das Fest zuständig, sondern kontrolliert und reguliert auch die nachhaltige Bewirtschaftung der Weinberge sowie die angemessene Entlohnung von Hilfsarbeitern. So ist das Fest bis heute mit seiner ursprünglichen Bestimmung, nämlich der Wertschätzung des Winzerhandwerks verbunden. An den Winzerfesten werden traditionell Wein- und Ackerbautraditionen mit heidnischen Allegorien und jüdisch-christlichen Kostümen und Symbolen aufgeführt. So ergibt sich eine lebendige und einzigartige Show, denn die Kostüme und Kulissen werden für jedes Fest neu entworfen.
Noch weiter in die Vergangenheit als die Winzerfeste reicht die Tradition des Nachtwächters der Kathedrale von Lausanne zurück. Von 22 Uhr abends bis 2 Uhr morgens ruft er zu jeder vollen Stunde die Uhrzeit aus. Auch wenn die technologischen Fortschritte des 20. Jahrhunderts seine Arbeit längst überflüssig gemacht haben, ist er für die Einwohner ein so fester Bestandteil der Kultur, dass sie sich mittels Beschwerdebriefe gegen eine Abschaffung dieses Postens wehrten.
Das Paradies für Wassersportler
Fast 13% der Gesamtfläche des Kantons bestehen aus Gewässern. Das wohl bekannteste ist der Genfersee, welcher den Kanton im Süden begrenzt. Das glasklare Wasser des Sees und der Blick auf die Alpen prägen an seinem Ufer die einzigartige Landschaft. Zwischen Genferssee im Süden, Neuenburgersee im Norden und Lac de Joux im Westen sorgen zahlreiche Flussläufe für fruchtbaren Boden. Durch die strenge staatliche Kontrolle der Gewässer wird eine außergewöhnliche gute Wasserqualität gesichert und erhalten. So lockt der Kanton viele Angler und in den Sommermonaten Wassersportler zum Windsurfen und Segeln.
«Smoke on the water»
Musikliebhabern wird das Montreux Jazz Festival ein bedeutungsvoller Begriff sein. Spätestens durch den Megahit der Band Deep Purple, die darin ihre Erlebnisse beim Festival und den Rauch über dem Genfersee nach einem Brand besingt. Auch wenn der Name anderes suggeriert, bekommt man hier schon lange nicht mehr nur Jazz zu hören. Seit 1967 wird das sechzehntägige Festival jährlich ausgerichtet und ist seither ein absolutes Highlight für Musikfans aus der ganzen Welt. Etwa 250.000 Menschen besuchen die Workshops und Konzerte. 380 sind es an der Zahl, 250 davon sogar kostenlos. Zu internationaler Bekanntheit kam das Festival besonders durch die legendären Auftritte von Nina Simone, Carlos Santana, Aretha Franklin, Chuck Berry, Marvin Gaye, Eric Clapton, Joe Cocker, Rory Gallagher, Phil Collins, Prince, David Bowie, Queen, Stevie Wonder und Elton John sowie in neueren Zeiten auch Adele, Lady Gaga, Ed Sheeran und vielen weiteren.
Der Kampf um die Unabhängigkeit von Bern
Wie auch die anderen Kantone, wurde Waadt durch die Mediationsakte von Napoleon im Jahre 1803 geformt. Doch zuvor hatte der Grenzkanton um seine Souveränität zu kämpfen.
Lange Zeit unterlag Waadt der Fremdherrschaft durch Bern. Im Frühjahr 1536 eroberten Berner Truppen das Waadtland. Das Versprechen auf religiöse Freiheit und die Bestätigung der Freiheitsrechte für das Waadtland erleichterten den Bernern die Eroberung. Doch diese Versprechen waren schon bald gebrochen. Nicht einmal die mit Bern verburgrechteten Städte Lausanne und Payerne erhielten die erhoffte politische Unabhängigkeit. Trotz dieser Unannehmlichkeiten verliefen die Eroberung und die darauf folgende Besatzungszeit weitestgehend ruhig. Erst die Französische Revolution 1789 veranlasste die Bürger des Waadtlands dazu, ihre Forderungen öffentlich zu stellen. Es wuchs der Wunsch nach wirtschaftlicher und politischer Freiheit. 1790 wurden schließlich weite Teile des Feudalsystems abgeschafft. Doch die Euphorie und der Drang nach Veränderung und politischer Umwälzung schwanden schnell, nachdem die wachhabende Schweizergarde 1792 beim Tuileriensturm eine fatale Niederlage erfuhr. Erst 1798 konnte das Waadtland erfolgreich von der Berner Herrschaft befreit werden. Jedoch stand es nun unter französischer Besatzung.