Neuenburg
Der Kanton Neuenburg (französisch: Neuchâtel) gehört zur französischsprachigen Romandie an der Westgrenze der Schweiz und grenzt an die Kantone Jura, Bern, Freiburg und Waadt und im Nordwesten an Frankreich. Dank seiner geografischen Lage, steckt dieser, mit seinen rund 176.000 Einwohnern auf 802,2km² durchschnittliche „Kanton am Rande“ doch voller Überraschungen. Und das, obwohl (oder gerade weil?) nur neun Gemeinden des Kantons über 5000 Einwohner haben. Die größte Gemeinde ist der Hauptort Neuenburg mit 44.000 Einwohnern.
1. Überraschung: Strandfeeling
Bereist man den Kanton Neuenburg von Bern her aus östlicher Richtung, oder von Biel her aus nordöstlicher Richtung, wird man gleich vom Neuenburgersee mit seinem milden Klima empfangen. Im Sommer laden hier La Tène, Hauterive und die Stadt Neuenburg zum Baden ein. Jedoch nicht mit gewöhnlichen Freibädern, wie man sie überall in der Schweiz findet, sondern mit großen, gepflegten Sand- und Kiesstränden und Liegewiesen, wie man sie eher in mediterranen Regionen vermutet. Auch für Familien mit Kindern sind die Strände sehr gut geeignet. Bis zu 100 Meter weit in den See kann man hier im flachen Wasser planschen und schwimmen.
2. Überraschung: Wein
Nur wenige Kilometer weiter südlich das Seeufer entlang befindet man sich plötzlich in einem der größten Weinanbaugebiete der Schweiz. Die Südosthänge des Jura bieten hier hervorragende Bedingungen für zwölf AOC zertifizierte Rebsorten. Besonders für den Anbau von Chasselas und Pinot Noir (hier Neuchâtel rouge genannt) und Chardonnay. Regionaler Klassiker ist hier der Oeil-de-Perdrix. Ursprünglich das Resultat einer misslungenen Weißweinkelterung, heute ein köstlicher Rosé vom Pinot Noir, der mit maximal 10% Grau- oder Weißburgunder verschnitten werden darf.
In vielen Weinortschaften wie Boudry und Auvernier laden Winzer zu Weinproben und lokalen Spezialitäten ein und bieten Wanderungen durch die Rebberge an, von denen man den herrlichen Ausblick auf den Neuenburgersee genießen kann. Genussvolle Momente für Feinschmecker und Weinkenner sind also garantiert.
3. Überraschung: Zeitlose Handwerkskunst
Von der Stadt Neuenburg aus gelangt man in kurzer Zeit nach Westen in die Berge des Juras und steht urplötzlich im Unesco-Welterbe, nämlich den Städten La-Chaux-de-Fonds und Le Locle. Diese beiden Orte wurden maßgeblich durch die Produktionsstädten der weltberühmten schweizer Uhren schon seit den Hugenotten im 16. Jahrhundert geprägt und geformt. Hier kommen besonders Uhrensammler und -liebhaber auf ihre Kosten. Zwischen den alten, schachbrettartig angelegten Jugendstilhäusern gibt es natürlich auch Uhrenmuseen. Noch heute setzen die großen Firmen des Weltmarktes, wie TAG Heuer und Tissot hier die Tradition der Uhrmacherkunst fort.
4. Überraschung: Ein Krimi mit grünen und blauen Feen
Besonders spannend und geheimnisvoll wird es noch ein Stückchen weiter südwestlich im Val-de-Travers. Hier wurde bereits im 18. Jahrhundert, wenn auch zunächst zu rein medizinischen Zwecken, der berüchtigte Absinth erfunden.
Im Jahre 1905 ermordete der waadtländer Weinbergarbeiter Jean Lanfray seine schwangere Frau und seine zwei kleinen Töchter, nachdem er zwei Gläschen Absinth getrunken hatte. Per Volksinitiative veranlasste man folglich das Verbot dieses „gefährlichen“ Getränks, welches 1910 umgesetzt wurde. Dass Monsieur Lanfray vor seinen zwei Absinth auch noch wahrscheinlich bis zu fünf Litern Wein am Tag und obendrein noch Branntwein intus hatte, ging in der hitzigen Diskussion völlig unter oder wurde einfach verschwiegen. Erst 2005 konnte die Legalisierung des Absinth durchgesetzt werden. Erstaunt war man jedoch recht wenig, dass unmittelbar nach der Legalisierung eine große Zahl an Herstellern gleich mit tüchtiger Produktion zur Stelle war. Der Absinth war einfach nie ganz verschwunden. Während der Prohibitionszeit ließen sich viele stolze Neuenburger ihr hochprozentiges Kulturgut und Allheilmittel nicht verbieten und brannten heimlich und versteckt vor den Kontrolleuren aus Bern im Keller weiter. So auch die heute zu den führenden Herstellern zählende Brennerei „Artemisia-Bugnon“ in Couvet, die sich bereits fünf Jahre vor der Legalisierung gründete und ihren Absinth nach traditionellem Rezept und Brennart herstellt.
In Môtiers kann man im Museum „Maison de L’Absinthe“ die Geschichten des Absinths und seiner Schwarzbrenner erleben, sich durch die ganze Welt der grünen und blauen Feen durchprobieren und getrost alles vergessen, was man bisher über Absinth zu wissen glaubte. Vor einem Besuch im Val-de-Travers, empfiehlt es sich also, sich beispielsweise mit feinen „Toillantes neuchâteloises“, den typisch neuenburger Rosinen-Brioches, zu stärken.
5. Überraschung: Abkühlen und wieder aufwärmen im „Sibirien der Schweiz“
Fährt man noch tiefer ins Jura nach Norden, sollte man zu jeder Jahreszeit warme Kleidung bedenken. Während im Sommer die Menschen im nur 24km entfernten Neuenburgersee Abkühlung suchen, brauchen die Menschen in La Brévine nur das Fenster zu öffnen. Höhere Temperaturen als 15°C sind hier durchschnittlich im Juli nicht zu erwarten, denn La Brevine ist offiziell der kälteste Ort der Schweiz. Er liegt im Val-de-la-Brévine, das ringsum von Bergen völlig abgeschlossen ist. So kommt kaum ein Wind auf und praktisch keine Wolken, wodurch der Boden ungehemmt auskühlen kann. Im Winter sind hier Temperaturen von etwa -30°C üblich, weshalb das Tal auch das „Sibirien der Schweiz“ genannt wird. Hier wurde auch am 12.1.1987 die tiefste gemessene Temperatur schweizweit seit Beginn der Aufzeichnungen mit -41,8°C verzeichnet.
Am warmen Rechaud lässt sich die Kälte aber beim Käsefondue ganz gut aushalten. Bei der Neuenburger Variante verwendet man Emmentaler und Gruyère, die in Weißwein und dem obligatorischen Kirschwässerli geschmolzen werden.
Wärme oder Kälte? Wein oder Absinth? Entspannung oder Aktivität? Im Kanton Neuenburg hat man die Wahl.
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