Genf / Genève (GE)
Der fast vollständig von Frankreich umschlossene Kanton Genf teilt sich 104km Grenze mit Frankreich und gerade einmal 5 km Grenze mit seinem Nachbarkanton Waadt. Der Kanton mit gleichnamigem Hauptort liegt also in der französischsprachigen Romandie. Mit einer Populationsdichte von 1820 Einwohnern pro km² liegt der 282,5 km² kleine Kanton deutlich über dem Schweizer Durchschnitt und ist hinter Basel-Stadt der Kanton mit der zweithöchsten Einwohnerdichte. Die Stadt Genf, die wahrscheinlich kleinste Metropole der Welt, beherbergt den Hauptsitz der UNO und WHO sowie des Internationalen Roten Kreuzes und des weltberühmten Forschungsinstituts CERN.
Genf liegt am südwestlichen Ende des Genfersees, von wo aus sich die Rhône ihren Weg in Richtung Mittelmeer bahnt. Die Region zwischen den Gipfeln der Gebirgsketten des Jura sowie den in Frankreich liegenden Bergen Vuache, Salève und Voirons wird auch Genferbecken oder auf Französisch «cuvette genevoise» genannt. Die höchste Erhebung der zumeist hügeligen Landschaft des Kantons ist der Grenzstein Nr. 141 mit 516 Metern über dem Meeresspiegel. Insbesondere die gewässernahen Gebiete am Genfersee und den umliegenden Bergen verzaubern mit ihrer Landschaft. Kristallklares Wasser, Boote, Berge und Weinhänge kreuzen hier den Blick.
Vom Zankapfel der Großmächte zum Zentrum der Weltpolitik
Mindestens durch die vier Genfer Konventionen ist Genf weltbekannt. Die Geschichte Genfs als weltoffene Stadt beginnt jedoch schon viel früher. Viele Jahrhunderte war Genf ein Zankapfel zwischen Römern, Germanen und Franzosen. Nach der Reformation 1536 wurde Genf als freie Republik unabhängig und somit ein wichtiger Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge und politisch verfolgte aus den umliegenden Herrschaftsgebieten. Zahlreiche europäische Protestanten fanden in Genf beim Begründer des Calvinismus, Jean Calvin, eine neue Heimat. Binnen kürzester Zeit entickelte sich Genf zu einem florierenden Zentrum der Uhrmacher- und Seidenweberkunst. Die Geschichte besagt, dass Calvin das Tragen von Schmuck in dieser düsteren Zeit verbieten ließ und die Goldschmiede der Stadt Alternativen zum Überleben suchen mussten. So verlegten sie sich auf die Uhrmacherei und verzierten Taschen- und Armbanduhren mit Edelsteinen und Edelmetallen.
Mit dem Eroberungsfeldzug Napoleons wurde Genf im Jahr 1798 von Frankreich annektiert und ins Département Léman eingegliedert. Am 30. Dezember 1813 zogen sich die Franzosen aus Genf zurück und die Stadtrepublik Genf wurde erneut ausgerufen. Nur einen Tag später wurde sie jedoch von Österreich besetzt. Genf bat folglich um die Aufnahme in die Eidgenossenschaft, die im September 1814 im Einklang mit den Beschlüssen des Wiener Kongresses bestätigt wurde. Von nun an begann eine Entwicklung bis dahin unbekannten Ausmaßes. Die Einwohnerzahl stieg binnen eines Jahres von 31 000 auf 172 000 Menschen. Ein solcher Sprung war nur durch die weltoffene Haltung der Genfer Kantonsregierung möglich. Der Ausländeranteil in Genf stieg in den Folgejahren bis 1914 auf 40,4% an. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs erreichte dieser Wert mit 42% sein Allzeithoch. Als weltoffene Stadt mit neutraler Vermittlerrolle wurde Genf schnell politisch Relevant. So kam es, dass dort auf Grundlage der Ideen des Genfers Henry Dunant, Gründer des Internationalen Roten Kreuzes und erster Friedensnobelpreisträger, die Genfer Konventionen 1949 beschlossen wurden.
Mit Gusseisen werden Kriege gewonnen - zumindest in Genf
Wer hätte geahnt, dass Schweizer Hausmannskost mal eine Schlacht gewinnt? Am Morgen des 12. Dezembers 1602 greifen savoyardische Truppen unter der Führung von Herzog Karl Emanuel I. die Stadt Genf an. Einem Trupp von etwa 200 Soldaten gelang es, die Stadtmauern Genfs zu erklimmen und in das Stadtinnere vorzudringen. Die Überraschten Genfer setzten sich zur Wehr. Darunter auch die «Mère Royaume» (dt.: «Mutter Königreich»), die einen feindlichen Soldaten mit einem gusseisernen Kochtopf, gefüllt mit Gemüsesuppe, erschlug. Als Erinnerung an dieses Ereignis findet jährlich die Escalade (Kletterei) statt. Ihr Symbol ist ein Kochtopf, zwar nicht aus Gusseisen, dafür aus Schokolade, der zu diesem Anlass zerschlagen wird. Umzüge in historischen Kostümen werden veranstaltet und Kinder singen an den Türen der Nachbarschaft für ein paar Süßigkeiten.
Ein kleiner Kanton mit vielen Highlights
Neben ernstzunehmenden Fachgebieten wie Weltpolitik und Uhrmacherkunst hat Genf überraschenderweise noch eine weiter Qualität: Humor. Jedes Jahr im Herbst findet die «Revue genevoise» statt. In Liedern und Sketchen werden die Verfehlungen der Genfer und der Schweizer Bundesregierung satirisch thematisiert. Seit 1892 lädt die Revue genevoise alle Menschen ein, über Politik nachzudenken und auch zu lachen.
Den größten Binnensee Mitteleuropas kann man von Genf aus wunderbar per Schiff erkunden. Neben den Angeboten auf dem Schiff bietet eine Rundfahrt auf dem Genfersee eine einzigartige Aussicht auf Häfen, Schlösser, Rebberge sowie die schneebedeckten Gipfel der Schweizer Alpen. Auch das Wahrzeichen der Stadt Genf, die 140m hohe Fontäne «Jet d’Eau» ist je nach Route zu bestaunen.
Inmitten des Englischen Gartens treffen Uhrmacherkunst und Gärtnerei auf beeindruckende Weise aufeinander. Auf einer Fläche von etwa 15 Quadratmetern werden seit 1955 vier Mal im Jahr verschiedene Blumenarten ihrer Blütezeit nach angepflanzt, sodass sich ganzjährig eine bunt blühende Uhr ergibt. Die 2017 installierten, satellitengesteuerten Zeiger beeindrucken mit bis zu zweieinhalb Metern Länge.
Neben der beeindruckenden Landschaft hat Genf ebenfalls eine einzigartige Altstadt mit unvergesslichem Charme. Bei einem Spaziergang kann die Altstadt Genfs am besten erkundet werden. Die kleinen Gassen bieten an jeder Ecke etwas zum Bestaunen. Zahlreiche Cafés und Restaurants erweitern das Erlebnis kulinarisch. Wenn das Laufen zu mühselig wird, sind die Mouettes Genevoise die perfekte Alternative. Die historischen, gelb-roten Pendelbote bringen Besucher von Stadtufer zu Stadtufer und bieten zusätzlich eine entspannte Fahrt mit erstklassiger Sicht auf die Stadt.
Für historisch und archäologisch Interessierte hat die Altstadt noch ein Highlight zu bieten. Die Kathedrale St. Peter beeindruckt nicht nur mit ihren Türmen, die einen atemberaubenden 360° Panoramablick über die Stadt gewähren, sondern auch mit einer archäologischen Ausgrabungsstätte im Kellergeschoss. Unter der Kathedrale St. Peter liegen die Reste ehemaliger Kirchen, von denen die älteste aus dem späten 4. Jahrhundert stammt. Auch vorchristliche Spuren der Besiedlung dieses Hügels sind dort zu bestaunen.
