Das Hölloch – Expedition in die Muotathaler Unterwelt
Die einen fahren im Winter Ski, die anderen wandern im Sommer, wiederum andere wollen einfach nur bei einem Glas Schweizer Wein in einem Chalet mit herrlichem Ausblick entspannen. Sie alle wollen hoch hinaus, auf die Berge. Dabei gibt es auch tief unter den hohen Bergen viel mehr zu entdecken, als man denkt. Bestes Beispiel ist das Hölloch. Dieses über 211 Kilometer lange Höhlensystem im Muotatal, Kanton Schwyz, ist die zweitlängste Höhle Europas. Nur zehn Höhlen weltweit sind größer. Im Hölloch hat es ganzjährig konstante 6°C und knapp 100% Luftfeuchtigkeit: Im Sommer vielleicht eine willkommene Abkühlung?
Goldgrube oder doch eher Höllenloch?
Das Hölloch war den Bewohnern des Muotatals schon lange bekannt. Große Beachtung schenkte man ihm jedoch lange Zeit nicht. Die erste offiziell dokumentierte Erkundung fand 1875 statt. Der Schweizer Alois Ulrich bemerkte, dass bei der Höllschlucht große Wassermengen austraten, obwohl die Schlucht die meiste Zeit trocken war. Dieses mysteriöse Phänomen weckte sein Interesse und er beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Dabei fand er den Einstieg des Höllochs. Über seine Nachforschungen wurde 1888 in einem Zeitungsartikel berichtet, wodurch weitere Forscher ab 1889 motiviert waren, das Hölloch genauer zu untersuchen.
1905 wurde eine belgisch-schweizerische Gesellschaft auf das Hölloch aufmerksam und sah die Chance, dass Höhlensystem als profitable Touristenattraktion auszubauen. Man installierte Treppen, Wege und Beleuchtung, um die Höhle den wohlhabenden Touristen während der Belle Epoque so bequem wie möglich zugänglich zu machen und bot Führungen an. Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus. Das Hölloch war damals wenig erforscht und man hatte kaum etwas darüber zu erzählen. Es kamen nur wenige Besucher und Wassereinbrüche zerstörten immer wieder Wege und Beleuchtungsanlagen. 1907 begrüßte man den vorerst letzten Touristen und das Hölloch geriet für viele Jahre in Vergessenheit. Die belgisch-schweizerische Gesellschaft ging bankrott.
Nach dem zweiten Weltkrieg fanden Forscher neues Interesse an dem Höhlensystem. 1946 begann mit Prof. Dr. Alfred Bögli eine neue Ära und weitere Erkundungen wurden unternommen. Immer wieder entdeckte man neue Höhlen und Seitenarme, bis das Hölloch mit 55 Kilometern entdeckter Länge 1955 zur größten Höhle der Welt erklärt wurde. Die Entdeckungsreisen waren von vielen Schwierigkeiten geprägt. Starkregen und Wassereinbrüche zerstörten wie bereits 50 Jahre zuvor immer wieder ganze Lager der Entdecker. Diese ließen sich davon wenig beeindrucken. Man gründete 1952 eine eigene Arbeitsgemeinschaft, die sich mit dem Hölloch beschäftigt und 1968 als Verein, der Arbeitsgemeinschaft Höllochforschung AGH, eingetragen wurde. Das Höhlensystem gilt heute als sehr gut erforscht und die erkundete Gesamtlänge beträgt heute über 211 Kilometer. Zwischen dem höchsten und dem tiefsten Punkt des Höhlensystems liegen 1033 Meter Höhendifferenz. Nur sehr selten werden noch neue Seitenarme entdeckt.
Eine fremde Welt unter dem Berg
Bis heute wurden im Hölloch 56 Tierarten durch Lebend- oder Skelettfunde nachweisen können. Dadurch, dass das Klima in der Höhle kalt und feucht ist, sind viele Skelette noch gut bis vollständig erhalten und hervorragend zur Forschung geeignet. Auch die zahlreichen Zahnfunde gewähren den Forschern einen guten Einblick in die Tierwelt des Muotatals zur damaligen Zeit. Die ältesten Funde, Skelette von Schneehühnern und Steinböcken, konnten Forscher auf das 12-11. Jahrhundert v. Chr. datieren. Zwar konnte man keine Skelette von Menschen finden, aber viele tierische Knochen zeigen Schnittspuren die ausschließlich von menschlichen Angriffen stammen müssen. Das Hölloch überrascht sogar mit bislang unbekannten Tierarten. Erst 2011 entdeckte man einen sogenannten «Falschen Skorpion», den pseudoblothrus infernus, der nur in dieser Höhle im Muotatal vorkommt.
Eine Entdeckungsreise durch das Hölloch
Die Aussicht auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Höhle ist inzwischen nur noch gering. Die Forscher weichen wieder den Touristen. Eine große Auswahl geführter Touren wird in der Destination Stoos-Muotatal angeboten. Von zweistündigen Schnuppertouren für die ganze Familie bis zu mehrtägigen Touren mit Übernachtungen in der Höhle für sportliche Abenteurer. Platzangst oder Höhenangst sollten laut Anbietern zumindest bei den Schnupper- und Einführungstouren kein Problem sein.


Wer nach seiner Tour noch Lust hat, etwas Schweizer Kultur zu erleben, der kann in der Höhle apérölen oder Raclette essen. Für die, die sich in das Hölloch verliebt haben und gerne mit ihren Liebsten dort feiern möchten wird sogar eine eigene, bunt beleuchtete und dekorierte Event-Location angeboten, wo mit bis zu 100 Leuten gefeiert werden kann. Gegen Aufpreis kann man sich vom Veranstalter auch einen Vortrag von einem Muotothaler Wetterschmöcker oder eine Feuershow dazubuchen.


Anreise
Das Hölloch befindet sich in 6436 Muotathal Stalden. Mit dem Auto findet man ausreichend Parkplätze vor Ort. Wer mit Bus und Bahn anreist, fährt mit dem Zug bis nach Schwyz, nimmt dort den Bus 501 und steigt bei der Haltestelle «Muotathal, Hölloch» aus. Die Einheimischen sprechen den Namen der Höhle übrigens «Helloch» aus. Das klingt zwar zunächst freundlicher, stammt aber von einem alten Dialektwort für «Höhle» ab, womit aber auch grundsätzlich jeder unbehagliche Ort beschrieben werden kann.