Ein Hoch auf den Käse! – Das Käsefest in Gruyères
Inmitten der Westschweiz, eingebettet in die sanften Hügel der Freiburger Voralpen, liegt das mittelalterliche Städtchen Greyerz (frz.: «Gruyères») – ein Ort wie aus dem Bilderbuch, malerisch und zugleich voller Leben. Die kopfsteingepflasterten Gassen, die historischen Fassaden und die majestätische Schlossanlage lassen Besucher in eine andere Zeit eintauchen. Doch einmal im Jahr, wenn das traditionelle Käsefest gefeiert wird, verwandelt sich dieses stille Juwel in einen vibrierenden Mittelpunkt der Schweizer Genuss- und Handwerkskultur.
Am ersten Sonntag im Mai öffnen sich die alten Stadttore und geben den Weg frei für tausende von Gästen, die aus allen Ecken der Schweiz und darüber hinaus anreisen. Sie kommen nicht nur, um sich an der mittelalterlichen Architektur zu erfreuen, oder die atemberaubende Aussicht auf das Greyerzerland zu genießen, sie kommen wegen eines ganz besonderen Käses, der hier geboren wurde, dem Gruyère AOP. Der Käse ist nicht nur eine regionale oder gar nationale Berümtheit, er gilt sogar als einer der besten Käse der Welt.
Ein Fest für alle Sinne
Seit über zwanzig Jahren steht das Käsefest ganz im Zeichen dieser außergewöhnlichen Spezialität. Rund zwanzig Stände säumen die engen Gassen, an denen regionale Produzenten ihre Waren präsentieren. Neben dem köstlichen Käse gibt es kunstvoll gearbeitete Holzutensilien, feine Spitzenarbeiten und allerlei kulinarische Hochgenüsse. Die Besucher können hautnah erleben, wie Rahmlöffel geschnitzt oder Butterformen gefertigt werden – alles von Hand und nach alter Tradition. Besonders eindrucksvoll ist das Käsen über dem offenen Feuer. Inmitten des Trubels entsteht hier, unter den neugierigen Blicken der Zuschauer, ein 35kg schwerer Laib, dampfend, duftend und mit einem Hauch Magie.
Natürlich ist auch für das leibliche Wohl bestens gesorgt. Wer sich durch die Stände probiert, wird von einem Feuerwerk geschmacklicher Raffinessen überrascht. Neben unzähligen Kostproben des berühmten Le Gruyère AOP in verschiedenen Reifestufen, locken warme Gerichte wie cremiges Fondue, knusprige Käseküchlein oder Raclette auf ofenfrischem Brot. Der würzige Duft liegt schwer in der Luft und vermischt sich mit dem Klang von Alphörnern, Örgeli und Kinderlachen. Es ist ein Fest für alle Sinne.






Ein schützenswertes kluinarisches Erbe der Schweiz
Der Gruyère AOP, um den sich alles dreht, ist weit mehr als ein Käse. Er ist das wichtigste Kulturgut der Region Gruyère. Das Kürzel AOP steht für «Appellation d'Origine Protégée», also «geschützte Ursprungsbezeichnung». Nur Käse, der nach klar definierten Regeln in bestimmten Regionen der Westschweiz hergestellt wurde, darf diesen Namen tragen. Die Milch für einen echten Gruyère AOP stammt ausschließlich von Kühen, die mit frischem Gras und Heu gefüttert werden. Silage, also vergorenes Futter, ist strikt verboten. Auch Zusatzstoffe sind tabu. Die Kühe grasen auf unterschiedlichen Weiden, wodurch sich feine Unterschiede im Geschmack ergeben, denn was die Tiere fressen, prägt das Aroma der Milch, und somit auch des fertigen Käses.
Für die Produktion eines einzigen Laibs, der rund 35 Kilogramm wiegt, braucht es stolze 400 Liter frische Rohmilch. Diese wird traditionell in Kupferkesseln erhitzt, bevor speziell gezüchtete Milchsäurebakterien zugesetzt werden. Diese winzigen Helfer sind maßgeblich für die Gerinnung und Reifung verantwortlich und verleihen dem Gruyère sein einzigartiges Geschmacksprofil. Mithilfe von Lab, einem natürlichen Enzym aus dem Kälbermagen, wird die Milch dickflüssig. Der entstehende Käsebruch wird zerkleinert. Früher geschah dies per Hand mit Käseharfen, heute übernehmen Maschinen diese mühselige Arbeit. Die dabei entstehenden Bruchkörnchen werden vorsichtig abgeschöpft und in runde Pressformen gefüllt.
Nach dem Pressen kommt der Laib für 24 Stunden in ein Salzwasserbad. Dieses sorgt nicht nur für die Haltbarkeit, sondern ist auch entscheidend für die Entwicklung der Rinde und des Geschmacks. Danach wandert der junge Käse in den Reifekeller. Hier herrschen ideale Bedingungen: konstante 15 Grad Celsius, über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und gleichmäßige Luftzirkulation. Der Käse wird auf Fichtenholzbrettern gelagert, wöchentlich gewendet und mit Salzwasser eingerieben. Erst nach mindestens fünf Monaten Reifezeit ist ein Gruyère AOP bereit für den Verkauf . Je nach Dauer der Reifung entfaltet er ein immer komplexeres Aromenspektrum. Von mild, nussig, mit zartem Schmelz nach fünf Monaten bis hin zu intensiv, kräftig und kristallin nach 24 Monaten – ein echter Genuss für Kenner.
Eintauchen in die Welt der Käserei und beim Fondue
Der Gruyère AOP ist ein Käse mit langer Tradition. Für jeden echten Käseliebhaber ist es beim Besuch des Käsefestes schon fast eine Pflicht, auch «La Maison du Gruyère» zu erkunden. Dort wird das jahrhundertealte Wissen um die Käseherstellung nicht nur bewahrt, sondern lebendig und interaktiv vermittelt. Schon beim Betreten des Geländes spürt man die Magie. Die frische Bergluft, das Summen der Bienen auf den Blumenwiesen, das Läuten der Kuhglocken – all das macht den Besuch zu einem sinnlichen Erlebnis. In der Schaukäserei führt die freundliche Kuh «Cerise» Groß und Klein durch die Welt des Gruyère. An zahlreichen Stationen können die Besucher alles sehen, hören, riechen und sogar selbst anfassen. Echte Käsebürsten, historische Werkzeuge und große Kupferkessel warten darauf, entdeckt zu werden. Videos, Bildschirme und Spiele erklären unterhaltsam die komplexen Abläufe, während über Kopfhörer jeder einzelne Schritt der Käseherstellung erläutert wird. Nach etwa 45 Minuten hat man nicht nur einige Kostproben erhalten, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Arbeit, die in einem einzigen Laib Gruyère steckt.
Und weil Theorie hungrig macht, lohnt sich der Abstecher ins angrenzende Restaurant allemal. Hier wird der Gruyère AOP in seiner ganzen kulinarischen Bandbreite serviert, vom klassischen Fondue über die köstliche Soupe de Chalet Fribourgeoise bis hin zur Apéroplatte mit Früchten und Nüssen. Es ist der perfekte Abschluss eines Tages, der ganz im Zeichen von Geschmack, Tradition und Schweizer Handwerkskunst steht.


